Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Silvia Thurner · 14. Okt 2022 · Musik

Die große Welt der Gefühle im Tango – das Ensemble Caminos Nuevos, Silvia Salzmann und Anselm Hartmann setzten Musik, Tanz und Poesie in Beziehung zueinander

Monica Tarcsay sowie Juan Carlos Díaz, Raphael Brunner und Stephan Greussing sind fasziniert vom Tango. Im Quartett Caminos nuevos widmen sie sich dem argentinischen Tango Nuevo sowie lateinamerikanischer Musik. Mit Silvia Salzmann und Anselm Hartmann setzt das Ensemble in seiner aktuellen Produktion unter dem Leitgedanken „Eine unmögliche Erinnerung...“ Musik von Astor Piazzolla und Juan Carlos Díaz, Lyrik von Jorge Luis Borges und Tanz zueinander in Beziehung. Gemeinsam entwickelten die Künstler:innen im Theater Kosmos eine zugleich poesie- und temperamentvolle Geschichte, die auf viel Beifall stieß.

Astor Piazzollas Tango Nuevo verströmt ganz unmittelbar eine große emotionale Wirkung. Dies kam in der leidenschaftlichen Musizierart von Monica Tarcsay (Violine), Juan Carlos Díaz (Flöte), Raphael Brunner (Akkordeon) und Stephan Greussing (Perkussion und Marimba) im stimmungsvollen Ambiente des Theater Kosmos sogleich zur Geltung. Juan Carlos Díaz hat für die Quartettbesetzung hervorragende Arrangements angefertigt. Vor allem der spezifische Einsatz der Percussion und der Marimba verliehen den Kompositionen viel Farbe und unterstrichen die Charaktere der erklingenden Werke „Coral“, „Triunfal“, „Che Tango Che“, „Escualo“ „Soledad“, „Oblivion“ und „Michelangelo“. Überdies bereicherten die Kompositionen „Se le tiene“, „Vals“ sowie „Lichtball“ von Juan Carlos Díaz die Performance. Dabei wandten die Musiker:innen ihre musikalischen Blicke in alle Himmelsrichtungen, indem sie den Tango Nuevo, mit lateinamerikanischer Folklore, Anspielungen auf orientalische Musik sowie europäischen Stilelementen miteinander verbanden. Die Stimmbalance zwischen den Instrumenten war über weite Strecken gut abgemischt, doch abschnittweise wirkte die Violine etwas zu unterrepräsentiert.
Die Ensemblemitglieder vermittelten eine große Spielfreude und musizierten in einer guten Kommunikation miteinander. Dabei stellten sie Phrasen, Motive und Einsprengsel mit einem großen Aufforderungscharakter dar und gaben gleichzeitig den jeweils melodieführenden Stimmen viel Raum zur Entfaltung. Auf diese Weise entstanden treibende, temperamentvolle, hitzige und entspannte musikalische Dialoge, die viele Emotionen abbildeten.
Die Atmosphäre und das Lebensgefühl in der Stadt Buenos Aires, Stimmungen zwischen Tag und Nacht sowie philosophische Denkanstöße spiegelten die Gedichte des argentinischen Schriftstellers und Lyrikers Jorge Luis Borges wider. Plastische Bilder ließen unter anderem die Gedichte „Vorstadt“, Plaza San Martin“, „Wiedergewonnenes Viertel“, „Der Tango“, „Nähe“ und „Tagesanbruch“ entstehen. Anselm Hartmann trug die Gedichte nicht von einem Rednerpult aus vor, sondern rezitierte sie im Bühnenraum und mit schauspielerischem Ausdruck. Seine Stimme führte er nuanciert, er formte Erzählperspektiven aus und gestaltete unterschiedliche Handlungsebene sprachlich expressiv. Dies belebte zwar den Vortrag, überreizte jedoch mitunter den lyrischen Ausdrucksgehalt der Gedichte.
Silvia Salzmann transformierte den musikalischen Fluss detailreich und poesievoll in ihren ausdrucksstarken Tanz. Damit schuf sie eine zusätzliche Wahrnehmungsebene, in der sich eine wechselvolle Beziehung zwischen Musik und Bewegung herauskristallisierte.