Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast. (Foto: Matthias Horn)
Anita Grüneis · 28. Nov 2022 · Musik

Die Exklusivität des Tangente-Jazz

Die elften Jazztage in der Tangente in Eschen sind Vergangenheit. In vier Konzerten zeigten vier verschiedene Bands auf, wie vielfältig sich der Jazz heutzutage präsentiert, wie abwechslungsreich und wie gehaltvoll er ist. Das Abschlusskonzert zum Motto „Conversation“ gestalteten die Musiker Jorge Vistel (tp), Maikel Vistel (ts), Francois Moutin (b) und Florian Arbenz (dr). Das Quartett brachte letztes Jahr eine CD mit dem Titel „Conversation #4 (Vulcanized)“ heraus, in der Tangente waren etliche Stücke davon zu hören. Es war ein Konzert voller Leidenschaft und Dynamik.

Mit den beiden kubanischen Brüdern Vistel, dem Franzosen Moutin und dem Basler Arbenz haben sich vier Musiker gefunden, die tief im Jazz verwurzelt sind und ihre Instrumente virtuos beherrschen. Das zeigten sie gleich zu Beginn mit dem Stück „Bemsha Swing“ von Thelonious Monk, ein relativ altes Stück aus dem Jahr 1952, das aber in dieser neuen Interpretation wie neu tönte. Passend zum Heute dagegen das zweite Stück „Pandemia“, geschrieben vom 40-jährigen Jorge Vistel, der unter anderem von Steve Coleman unterrichtet wurde. Jorge ist ein hervorragender Trompeter, was er nicht nur bei diesem Stück bewies. „Pandemia“ ist ein sehr melodisches Werk, am Anfang nahezu lyrisch und sanft, bis es dann losfegt wie ein Sturmwind und damit zugleich das Wesen einer Pandemie verdeutlicht.

Das Wesen vom Kontrabass

Weiter ging es mit Eigenkompositionen – „A soothing thrill“ stammte vom Bassisten Francois Moutin – ein äußerst ungewöhnlicher Musiker, der als Kind Gitarre und Klavier spielte, bevor er den Bass für sich entdeckte. Zudem studierte er Mathematik und Physik und promovierte in Physik. Doch dann entschied er sich für die Musik. Zum Glück. Er ist ein extrem leidenschaftlicher Musiker, der seinen Bass spielt, als habe er einen Flügel zwischen den Händen. Unglaublich virtuos und zugleich extrem feinfühlig scheint er die Seele des Instruments von innen nach außen zu kehren. Seine Ballade „A soothing thrill“ erzählt eine Geschichte mit einem bittersüßen Beginn voller Melancholie, die Trompete und das Saxophon scheinen zu träumen, die Schlagzeugbesen streichen zärtlich über die Metallbecken und der Bass spricht aus tiefster Seele.
Nach diesem lyrischen Abenteuer stand eine Komposition von Drummer Florian Arbenz auf dem Programm. „Catch me if you can“, nannte er sein Stück und es war auch eine richtige Hatz. Ein dynamisches Werk, bei der die Trompete über weite Strecken schillernd im Einsatz war, die drums rasend schnell unterwegs blieben, das Saxophon zu folgen versuchte und der Bass einfach dranblieb bis zum furiosen Endspurt. Und als dann alles zu Ende war, sauste Florian Arbenz noch einmal mit seinem Schlagzeug los und präsentierte ein solistisches Feuerwerk.
 

Musiker und Komponisten

Der zweite Teil des Abends begann mit der Stück „Closer“ von Jorge Vistel. Und wieder startete Florian Arbenz mit dem Gespräch, die anderen folgten ihm, das Saxophon brachte einige besinnliche Töne mit hinein, doch grundsätzlich war dieses Werk voller sprudelnder Lebensfreude, es jammte und groovte sich dahin, dass das Publikum seine wahre Freude daran hatte. Da war es für den „Freedom Jazz Dance“ von Eddie Harris aus dem Jahr 1965 nicht einfach, Schritt zu halten, doch dieses Mal war es Maikel Vistel mit seinem Saxophon, der den Funken weitertrug und dabei sein Instrument zum Lachen und Tanzen brachte. Ein Szenenwechsel führte das Publikum zum lyrischen Pianisten Bill Evans und seinem „Waltz for Debby“ - wiederum ein Klassiker, zu dem beinahe geschunkelt werden durfte – die vier Herren schienen nicht nur für Debby den Regenbogen in allen Farben zu schildern. Den vorläufigen Schlusspunkt setzte eine weitere Komposition aus der Sammlung „Evolution“ von Florian Arbenz. Der Drummer aus Basel hatte zudem die Regie des Konzerts den ganzen Abend fest in der Hand.
Mit diesem Abschlusskonzert setzte die Tangente wieder einmal einen Maßstab für künftige Konzerte: Was zählt, ist die Qualität, die Leidenschaft für die Musik, das „Feeling“ für den „Groove“ und die Bereitschaft, sich dem Jazz bedingungslos hinzugeben. Dazu bietet die Tangente ein exklusives Nähegefühl bezüglich Musik und Künstlern. Ob im Zuschauerraum oder an der kleinen Bar – näher kann man Kunst nicht kommen.