Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast. (Foto: Matthias Horn)
Silvia Thurner · 25. Okt 2009 · Musik

Das Spiel mit musikalischen Traditionen erforderte enorme Vielseitigkeit - das Südwestdeutsche Kammerorchester stellte diese eindringlich unter Beweis

Zur dritten Auflage des Festivals „Zeitklänge“ engagierten die Kuratoren Alfred Huber und Wolfgang Lindner das „Südwestdeutsche Kammerorchester“ Pforzheim mit seinem in Vorarlberg bestens bekannten Chefdirigenten Sebastian Tewinkel. Das Orchester agierte nicht nur vielseitig, sondern auch mit einer bewundernswert ausgewogenen Klangkultur. Dabei reichte das Programmspektrum von Johann Sebastian Bach über Alfred Schnitte und György Ligeti bis hin zum Vibraphonkonzert von Wolfgang Lindner. Das Publikum goutierte den überlangen Konzertabend mit begeistertem Applaus.

Zur Einleitung des „Zeitklänge“ Festivals, das in diesem Jahr unter dem Motto „Spiele mit der Tradition!?“ steht, referierte Anselm Hartmann über den Komponisten Alfred Schnittke. In seinen Ausführungen stellte er anschaulich die inneren Wirkzusammenhänge dar, die Alfred Schnittke in seinen Arbeiten geleitet haben.

Schnittke als instrumentales Theater

Im anschießenden Konzert spielte das SWD Kammerorchester Pforzheim mit den beiden Konzertmeistern Sonja Starke und Michael Ewers als Solisten das berühmte „Moz-Art á la Haydn“ von Alfred Schnittke. Das ‚instrumentale Theater’, in dessen Tradition dieses Werk zu sehen ist, entfaltete sich nach einem Beginn bei völliger Dunkelheit und endete, nachdem nacheinander alle MusikerInnen das Podium verlassen hatten. Spannungsreich, mit einem ausgewogenen Spiel der Klangfarben wurde das Werk entwickelt. Die beiden Gruppen des Streichorchesters sowie die Solisten traten in Dialoge miteinander oder sie versenkten sich in einem gemeinsamen Kontinuum. Wer Schnittkes Musik mag, ein handwerklich perfekt gemachtes Sammelsurium an Allusionen, konkreten Zitaten und indirekten Anspielungen, hatte mit dieser Werkdeutung eine Freude. Wohl als Referenz an Schnittkes Bewunderung für Johann Sebastian Bach stand das Konzert d-Moll, BWV 1043 mit denselben Solisten auf dem Programm. Geboten wurde, unterstützt vom Cembalisten Johannes Hämmerle, eine kompetent und lebendig gestaltete Interpretation. Überdies hatte das SWD Kammerorchester Gelegenheit, seine virtuose Spielart auch im Genre der Barockmusik unter Beweis zu stellen.

Ausgewogenes Werk mit ausgezeichnetem Solisten

Sehr positiv aufgenommen wurde Wolfgang Lindners „Rodeo“, Konzert für Vibraphon und Streichorchester. Dies ist auch dem Solisten Alfred Achberger zu verdanken, der das Werk seines Lehrers energetisch ausgewogen und mit viel Klangpoesie formte. Als zentrales Moment erwies sich eine punktierte Tonlinie, die das motivische Kernmaterial bot und zugleich den Streicherpart charakterisierte. In einigen Abschnitten spielte der Solist am Vibraphon darüber, stellte die Hauptgedanken vergrößert dar, ließ charakteristische Tonschritte beziehungsreich schweben und mitunter in einen imaginären (gestrichenen) Ton verklingen. Der daran anschließende Teil bot Raum für einen Neubeginn und das langsame Generieren des Klangmaterials. Darauf baute der Komponist ein Spiel der Kräfte zwischen dem Solisten und dem Orchester auf, das vor allem durch die differenzierte Anschlagskultur von Alfred Achberger und die gut ausbalancierten Klangqualitäten des Orchesters belebt wurde. Das Werk insgesamt überzeugte, allerdings zeigte sich deutlich, dass Wolfgang Lindner als Perkussionist und Vibraphonist vor allem dieses Instrument gut kennt, während der Streichorchestersatz eher gemäßigt wirkte.

Wertvolles und Verzichtbares

Der zweite Konzertteil konnte das musikalische Niveau des ersten nicht halten. Einzig György Ligetis „Ramifications“ für zwölf Solostreicher wurde in der Werkdeutung des SWD Kammerorchesters zu einem Wiederhören, das auf allen Linien Freude bereitete. Denn die Orchestermusiker spielten konzentriert, durchdacht und breiteten die verästelten Einzelllinien transparent und mit perspektivischem Denken aus. Auf diese Weise wurde ein schillernder und in vielen Klangfarben changierender Organismus zum Leben erweckt. In starkem Gegensatz dazu stand Peteris Vasks „Musica dolorora“. Die emotionale Ergriffenheit des Komponisten, der mit diesem Werk den Tod seiner Schwester beklagt, wurde vom Orchester mit viel Empathie dargestellt. Allerdings wirkte die Musik auch überspannt und allzu sehr dem Zeitgeist verpflichtet. Verzichtbar an diesem langen Konzertabend wäre Sandor Veress „volkstümliches“ Werk „Quattro Danze Transilvane“ gewesen.

Sympathischer Orchesterleiter

Sebastian Tewinkel leitete einige Jahre das Symphonieorchester des Landeskonservatoriums in Feldkirch und genießt seither viele Sympathien in Vorarlberg. Sein Wirken am Pult des SWD Kammerorchesters Pforzheim bestätigte erneut seine enorme Aussagekraft als Dirigent.