"Rickerl – Musik is höchstens a Hobby" derzeit in den Vorarlberger Kinos (Foto: 2010 Entertainment / Giganten Film)
Thomas Kuschny · 12. Feb 2011 · Musik

Harmolodics oder die Rückkehr zum Blues - James Blood Ulmer "Odyssey" am Spielboden

Woher stammt eigentlich Ulmers Nickname „Blood“, der recht treffend zum archaisch-monolithischen Sound des Eigenbrötlers zu passen scheint? Eine Abkürzung von „Youngblood“, heißt es einmal, woanders wird seine Ähnlichkeit zum Vater („vom selben Blut“) ins Treffen geführt. Auf jeden Fall benannte er seine erste Band „Blood and the Bloodbrothers“ zu einem Zeitpunkt, als es noch um Gospel und Soul ging und das Wort „Avantgarde“ noch Jahrzehnte entfernt war. In neuerer Zeit widmet sich Ulmer wieder vermehrt dem Blues, nicht ganz untypisch für in die Jahre gekommene Klangneuerer.

"Harmolodics" und unkonventionelle Stimmungen

Was sein Spiel aber so einzigartig macht, ist von der Zeit dazwischen geprägt, und da im besonderen von Ornette Coleman, dem Erfinder des Begriffs „Free Jazz“. Ulmer ist ein Schüler des sogenannten „Harmolodics“-Konzepts, einer etwas obskuren Theorie Colemans, welche die völlige Gleichwertigkeit von Harmonie, Melodie und Rhythmus in sämtlichen musikalischen Zusammenhängen postuliert. Man weiß nichts Genaues, da Coleman angeblich zwar seit ewig an einer Publikation arbeiten soll, bis jetzt aber nichts wirklich Konkretes darüber zu erfahren ist. Vielleicht sind ja ohnehin viel eher die unkonventionellen Stimmungen auf Ulmers Gitarre der Grund für seine Unverwechselbarkeit. Oft werden alle Saiten auf einen einzigen Ton gestimmt, Saitendicke und Spannung ergeben dabei unterschiedliche Sounds.

„Odyssey“-Trio - ungewöhnlich, aber reizvoll

Wie auch immer, das „Odyssey“-Trio, mit dem er jetzt wieder unterwegs ist, stammt jedenfalls aus dieser experimentellen Zeit. Die Besetzung ist mit Schlagzeug, Gitarre und Violine durchaus ungewöhnlich, aber reizvoll. Charles Burnham jagt seine Geige via Verzerrung durch einen Gitarrenverstärker, was jedem Klangpuristen die Grausbirnen aufsteigen lässt, aber sehr stimmig zum Gesamtsound passt. Die Lautstärken, die sich dadurch erreichen lassen, sind beträchtlich, die Legato-Flächen wirken sehr dicht und erinnern manchmal sogar an eine Steelguitar, wie auch die Spielweise viele Assoziationen zur Country- bzw Folkmusic zulässt.

Jedenfalls beginnt das Konzert mit viel Verve und Energie, erinnert mit den repetitiven Mustern auf ein- und demselben Grundton samt schwer pochendem Puls an die besten Zeiten des Genres. Unterbrochen wird dies allenthalben und gegen Ende immer häufiger von klassischen Blues-Nummern, die nicht immer aber doch hie und da den Wind zu drastisch aus den Segeln nehmen. Man hätte sich hier eher James „Blood“ Ulmer solo gewünscht. Viel eindringlicher hätte da seine phantastische Stimme, sparsam begleitet von der Gitarre, wirken können. So aber wirken einige dieser Stücke, in denen es wie gehabt um Themen wie „Got to go back to my Baby“ oder „You don´t love me no more“ geht, überladen und teils sogar holprig, was man vermutlich dem Drummer Warren Benbow anlasten muß. Nicht nur, dass er in diesem Kontext in der Luft zu hängen scheint, eher unsensibel und teilweise gar unbeholfen wirkt sein Spiel, gröbere Timing-Probleme lassen darauf schließen, dass der Blues alles andere als sein Metier ist. Man erfreut sich viel eher an den verqueren Post-Funk Kompositionen, die immer wieder mit seltsamen Unisono-Passagen und simplen aber effektvollen Melodien überraschen.

Überraschen tut Ulmer auch mit seiner Geschäftstüchtigkeit. Der letzte Ton ist noch nicht verklungen, wankt er schon in seinen riesigen Cowboy-Boots zum Bühnenrand und öffnet seinen CD-Bauchladen. Auch eine Möglichkeit, das ewig gleiche Zugabenprozedere abzuwürgen.