"Rickerl – Musik is höchstens a Hobby" derzeit in den Vorarlberger Kinos (Foto: 2010 Entertainment / Giganten Film)
Silvia Thurner · 01. Okt 2013 · Musik

Blödeln und Singen tut gut – Das Gebrauchsliederbuch „s’Ländleliad“ ist ein Sammelsurium an Liedern, kräftigen Redewendungen und Auszählreimen, das junge und alte Menschen begeistern kann

Viele Kinder wurden und werden mit den Büchern „s’Ländle. Eine Kinderreise durch Vorarlberg in 96 Geschichten“ sowie „s’Ländlejohr“ von Monika Hehle groß. Als Mitmachbuch lädt nun als Drittes im Bunde „s’Ländleliad “ alle großen und kleinen Kinder ein, Lieder zu singen, in der Gsätzlewerkstatt zu rappen, mit Kniereiter- und Auszählreimen einen Staffellauf zu veranstalten oder zu Juz und Johlar Schlag- und Bewegungsrhythmen zu erfinden. Evelyn Fink-Mennel hat ein vielseitiges Repertoire an alten und neuen Liedern zusammengestellt sowie mit informativen und humorvollen Kommentaren versehen.

In elf Kapiteln bietet das Buch einen musikalischen Ein- und Rundumblick in musikalische Kindererlebniswelten. „Blödla tuat guat“ lautet das erste Kapitel. Über „Schmelga, Moatla, Meiggana und Buaba“ gibt es viele Lieder und eine besondere Liebe haben die meisten Kinder für „Tierle und andre Ohrwürmle“. Darüber hinaus bietet das farbenfroh gestaltete Liederbuch eine Auswahl von „Heimatliedern“. Mit einem „Lob uf’s Ländle“ beginnend, startet die Reise im Ländle und führt um die Welt mit Liedern von „Uswanderern und Iwanderern“.

Positiver Zugang zu volksmusikalischen Formen


„Dieses Buch versteht sich als repräsentative, aber natürlich unvollständige, Sammlung. Wir verbinden damit auch eine pädagogische Absicht, die Breite an ‚Musikspielzeug’ in Form von Liedern, aber auch Sprüchen und Reimen, Bewegungs- und Rhythmusformen aus der Überlieferung als Alternativen zur Bodypercussion darzustellen“, erklärt Evelyn Fink-Mennel. „Wir ‚spielen’ von Anfang an damit, ohne dass wir dieses Instrument bewusst wahrnehmen“, leitet sie das Gebrauchsliederbuch ein, und motiviert lustvoll, „musikalische Spielzeuge in Form von Auszähl- und Kinderreimen, Sprach- und Bewegungsspielen, Singtänzen sowie Kinder- und Volksliedern“ auszuprobieren.

In der Praxis erprobt


In zahlreichen Workshops mit Kindern und Jugendlichen sammelte Evelyn Fink-Mennel praktische Erfahrungen, denn ihr ist bewusst, dass neben der Familie heute vor allem Schulklassen wichtige Orte der Musikpraxis sind und Lehrende wichtige „Singanstifter“ sind. Selbstverständlich braucht es dafür ein breites Repertoire, das den vielfach „ethnisch bunt zusammengesetzten Klassengruppe entspricht.“ Einige Lieder hat die Musikethnologin und Pädagogin am Landeskonservatorium Feldkirch selbst in Feldforschungen gehört und aufgezeichnet.

Eine Intention für dieses Buch sah die Herausgeberin auch darin, „dass volksmusikbasierte, dialektale Lieder, Tänze an einschlägigen Ausbildungsstätten in Vorarlberg kaum eingesetzt werden, dass aber immer wieder Bedarf angemeldet wird. So ist dies ein Angebot, in ausgewählter Breite und entsprechender Aufbereitung auch die vielschichtigen Potentiale dieses Genres nachvollziehbar zu machen.“

Locker vom Hocker rappen


Sympathisch ist der lockere Zugang zu den Liedvorlagen, denn die SängerInnen werden dazu eingeladen, sich die Lieder zurechtzusingen. „Keine Scheu vor dem Dialekt einer anderen Talschaft oder einer anderen Kultur“, betont Evelyn Fink-Mennel. „Variation gehört zum Wesen der Volksmusik. Solche Vorgehensweisen sind bei einer Musik, bei der nicht das Urheberrecht, sondern Aneignung, Gebrauch, Variation und Originalität vorherrschen, selbstverständlich und üblich.“

Das Buch „s´Ländleliad“ ist up to date und wird auch Jugendlichen gerecht. Wer’s ausprobiert wird erfahren, dass das „Gsätzle-Singen“ und das Texten von „Schnadahüfle“ nicht anders funktioniert wie ein Rap. Anregungen, Ideen und rhythmische Impulse dazu finden sich im Buch.

Die Quellen erfahren


Überdies gibt es zahlreiche Informationen zur Entstehungs- und Wirkgeschichte beliebter Lieder. Als berühmtes Beispiel erzählt Evelyn Fink-Mennel vom ‚Wäldarbähle’: „Wahre Begebenheiten rund um die 1902 eröffnete ‚Wälderbahn’ haben seinerzeit am ‚Land draußen’ für Schlagzeilen, Spott und dieses Lied gesorgt. Die Melodie haben sich die LiedverfasserInnen vom damals brandaktuellen Berliner Gassenhauer ‚Trink’ ma noch ein Tröpfchen’ ausgeliehen.“ Dass Melodien keine Grenzen kennen, zeigt das melodieverwandte mexikanische Schlaflied „Un elefante“, das ebenfalls im Liederbuch zu finden ist.

Vergangenheit und Gegenwart


„I Muetters Stübele“ erinnert an Zeiten, als in Vorarlberg die Menschen zur Auswanderung gezwungen waren. „Heute hat sich das Bild geändert, in Vorarlberg herrscht allgemeiner Wohlstand und das einstige Auswandererländle ist ein beliebtes Zuwanderungsland geworden.“

Ein schönes Beispiel für ein Zuwandererlied ist „Pisulig“ aus Tschetschenien. Arapat Dolgyeva hat das Lied gesungen und Evelyn Fink-Mennel hat es aufgezeichnet. „Nicht nur in Österreich ist die Katze ein gern besungenes Haustier, wie dieses Lied aus der tschetschenischen Überlieferung zeigt. Viele tschetschenische Flüchtlinge leben in Vorarlberg und gehen hier zur Schule. In Tschetschenien ist Russisch die Amtssprache. Der Liedtext ist in der Art einer ‚Lautschrift’ niedergeschrieben.“

Auch ein Stückchen Zeitgeschichte erzählt das neue Buch. „1973 ging ein Aufruhr durch die Vorarlberger Gesellschaft, als die FLINT-bewegten Studenten Michael Köhlmeier und Reinhold Bilgeri ihr „Oho Vorarlberg“ dem Land schenkten. Das Lied wurde bei der Jugend als neue Landeshymne gehandelt. Mittlerweile ist das eine alte Geschichte, das Lied aber allgemeines Volksgut geworden.“

Die beigelegte CD ist keine Zuhör-CD im üblichen Sinn. Jedes Lied wird mit einer Strophe angespielt. Die 68 Tracks sollen anregend auf alle wirken, die keine Noten lesen können oder Inspiration für die Art der Begleitung suchen.

Stimmungsvolle Illustrationen


Neben den inhaltlichen Qualitäten, der Liedauswahl, den vielen Anregungen und Ideen zeichnet sich „s’Ländleliad“ durch die Bilder(Geschichten) von Monika Hehle aus. „Den Illustrationen liegt der Gedanke zugrunde, das Traditionelle mit dem Neuen zu verbinden. Einerseits dringt meine Verbundenheit zur Heimat durch. Ich bin in einem kleinen Dorf aufgewachsen. Im Sommer durchkämmten wir Kinder die Blumenwiesen und sonntags konnte ich mich nicht satt sehen an den Frauen in ihren bestickten Trachten. Auf der anderen Seite drücken die Illustrationen mein Reisefieber und meine Sehnsucht nach fernen Ländern aus“, so die Mitherausgeberin Monika Hehle.

 

 

Freitag, 4. Oktober 2013. Kulturbühne AmBach, Götzis, 19:30 Uhr
Buchpräsentation „s’Ländleliad“ von Evelyn Fink-Mennel und Monika Hehle. 
Idee und Illustrationen: Monika Hehle
Recherche, Texte und Musik: Evelyn Fink-Mennel

Im Rahmen der Jahreshauptversammlung 2013 und der Eröffnung des Jubiläumsjahres ‚60 Jahre Vorarlberger Familienverband’.

Das Buch ist im Buchhandel sowie beim Vorarlberger Familienverband oder bei Monika Hehle erhältlich. (www.familie.or.at) (www.monikahehle.at)