Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Thomas Kuschny · 09. Mai 2011 · Musik

Bigbands sind eben doch lauter – Das „Collectif Lebocal“ in der Reihe „Jazz&“ am Spielboden

Es ist natürlich kein schlechter Schachzug, sich durch die Veröffentlichung eines „Tribute-Albums“ erhöhte Aufmerksamkeit zu sichern. Vor allem deshalb, weil sich die „Was der Bauer nicht kennt, ...“-Mentalität immer weiter zu verbreiten scheint, somit Konzerte wenig bekannter Ensembles tendenziell auch schütter besucht sind und Kleinveranstaltern das Wasser abgegraben wird. Muss einmal gesagt sein.

15 grundsymphatische, allürenlose Herren ...

Das französische „Collectif Lebocal“ hat sich schon 2003 dem Oeuvre Frank Zappas gewidmet, dem 1993 früh verstorbenen, wahrscheinlich exzentrischsten Rockstar überhaupt. Wobei sich ja auch Zappa der Rockmusik und ihrer Klischees vielfach nur bedient hat, um seine komplexen, „ernsthaften“ Kompositionen unter die Leute zu bringen. Das „Collectif“ spielt je zur Hälfte Zappa-Stücke und eigenes Material aus der CD „Ego“, und dabei zeigt sich zweierlei: Zum einen tut es den manchmal schon mit reichlich Patina angesetzten Originalen sehr gut, auf eine so erfrischende Art umgekrempelt zu werden. Zum anderen stehen die eigenen Kompositionen an Elaboriertheit und Ideenreichtum dem Werk Zappas in nichts nach. (Dreiste Behauptungen, mit denen man Gefahr läuft, von eingeschworenen Zappa-Jüngern alsbald füsiliert zu werden). Und noch etwas: Man sieht hier 15 grundsympathische, völlig allürenlose Herren bei der Arbeit, mindestens so euphorisiert wie das Publikum.

Nummern im Patchwork-Stil und sich langsam entwickelnde Eigenkompositionen

Um sich Frische und Spontaneität zu erhalten, bedienen sie sich mitunter sogenannter „Instant Composing“-Techniken, wobei jeweils einer mithilfe eines Zeichensystems der Band Spielanweisungen gibt. Der Sound ist druckvoll und nützt die dynamische Bandbreite einer Bigband voll aus, steigert sich in kurzen Spitzen gar zum infernalen Getöse. Man nimmt sich eher der frühen Stücke Zappas an. „Idiot Bastard Son“, „King Kong“, „Mr Green Genes“, allesamt aus den Sechzigern. Diese werden ordentlich umgearbeitet, sind oft nur an den so typischen Unisono-Teilen zu erkennen oder aber an den gesungenen Passagen, von Ernie Odoom am Mikrofon meisterhaft interpretiert. Seine Stimme ist über einige Oktaven bis in lichteste Höhen klar und druckvoll, selten gehört. Neben den nicht untypischen Nummern im Patchwork-Stil, wo alle Genres von Metal bis Free Jazz wild durcheinandergewirbelt werden, beeindrucken vor allem polyrhythmisch-afrikanisch beeinflusste, sich langsam entwickelnde Eigenkompositionen mit langen Melodiebögen. Für die Anbindung an die elektronisch verfremdete Welt sorgt ausgerechnet der Mann am Tenorsaxofon, der sein Instrument meist durch Wagenladungen voller Effekte jagt, wodurch es manchmal beängstigend krächzt und knarrt. Später dann aber spielt er ganz trocken ein energetisches Solo, das den ganzen Saal mitreißt. Ganz toller Abend!