Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Silvia Thurner · 14. Mai 2011 · Musik

Kenntnisreiche Interpretation eines Meisterwerkes der Musikgeschichte – Das „Concerto Stella Matutina“ und der Graubündner Chor „Vocal Origen“ wagten sich an die große h-Moll Messe von J.S. Bach und gewannen

Die h-Moll Messe von Johann Sebastian Bach ist eines der größten Meisterwerke der Musikgeschichte. In diesem Mammutwerk versammelte Bach viele Kompositionsarten seiner Vorgänger und wies mit seiner eigenen Sprache weit in die Zukunft. Ausgedehnte kontrapunktische Sätze, viele Tonsymbole und eine außergewöhnlich vielfältige musikalische Ausdruckpalette stellten an den Chor „Vocal Origen“ und das Barockorchester „Concerto Stella Matutina“ unter der Leitung von Clau Scherrer große Herausforderungen. Mit musikalischer Gestaltungskraft erklang eine überzeugende, jedoch etwas distanziert wirkende Werkdeutung.

Viele Zuhörende ließen sich das einmalige Ereignis, die h-Moll Messe von Johann Sebastian Bach live in Vorarlberg zu erleben, nicht entgehen. Bislang ist auch Kennern der Szene keine Aufführung dieses Werkes mit MusikerInnen und SängerInnen aus der Region bekannt. Die vorangegangenen Chor- und Orchesterprojekte des engagierten „Concerto Stella Matutina“ und des Chores „Vocal Origen“ wie Bachs „Weihnachtsoratorium“, Händels „Messias“ und Monteverdis „Marienvesper“ hatten begeisterte Zustimmung gefunden. Allein deshalb waren die Erwartungen hoch gesteckt.

Gut aufeinander abgestimmte Musizierart

In einem guten klanglichen Verhältnis zueinander musizierten der Chor und das Orchester miteinander. Jede Arie der Messe interpretierten SängerInnen aus den Reihen des Chores, sodass die Stimmcharaktere jeweils der Musik angepasst waren und eine abwechslungsreiche Abfolge bewirkten. Die SolistInnen Jan Börner, Sybille Diethelm, Marian Dijkhuizen, Barbara Erni, Valentin Gloor, Jessica Jans, Kristine Jaunalksne, Irene Mattausch, Marcus Niedermeyr, Jacob Pilgram, René Perler und Judith Scherrer überzeugten mit gut modellierten Gesangspartien. Insgesamt faszinierte der Chor „Vocal Origen“ durch seine gelenkige und im Hinblick auf die Klangqualität vielgestaltige Linienführung.
Das Barockorchester „Concerto Stella Matutina“ überzeugte auf ein Neues, weil auf einem beeindruckend hohen Niveau, stringent und konzentiert musiziert wurde. Die solistisch geführten Passagen der Violine, Flöte, Oboe und des Fagott entfalteten eine natürliche Klangschönheit und eindrucksvolle Dialoge mit den Gesangssolisten. Ausgewogen und mit rhythmischer Spannkraft agierte die Basso Continuo Gruppe und strahlenden Glanz verströmten die Trompeten. Lediglich das Hornsolo wirkte etwas „blechig“.

Detailreiche Ausgestaltung

Viele musikimmanente Details waren in dieser Interpretation der h-Moll Messe erlebbar. Ein Augenmerk fiel auf die unterschiedlichen emotionalen Grundpfeiler, die Bach in dieser Messe im Spannungsfeld zwischen katholischen und protestantischen sowie weltlichen Musiktraditionen miteinander verband. So entwickelten sich Klanginseln, die besonders textdeutend in den Vordergrund traten. In Erinnerung blieb beispielsweise der Übergang vom Gloria in die Passage „Et in terra pax“, wo die Musik mit innerer Spannkraft gesteigert wurde. Melismen und rhythmische Verschiebungen in der solistisch geführten Violine verliehen der Arie „Laudamus te“ eine charakteristische Farbe. Weiters  deuteten die Flöten und Oboen in kommunikativen Wechselspielen mit den SängerInnen die Texte der Arien im Gloria mit charakteristischen Intervallen, chromatischen Linien und Melismen. Im Herzstück der h-Moll Messe, im Glaubensbekenntnis, kam der durchdachte Interpretationsansatz ebenfalls zur Geltung. Bassfundamente, Vorhalte und die Linienführungen bargen viele gestaltende Symbole in sich, die gut nachvollziehbar entfaltet wurden. Raumklangwirkungen und Sprachrhythmen zeichneten das Sanctus aus, bevor im abschließenden „Dona nobis pacem“ eine gute Schlusssteigerung den großen Bogen abschloss.

Zurückhaltender Dirigent

Eher zurückhaltend leitete Clau Scherer die SängerInnen und das Orchester. Die sparsam gesetzten Gesten wirkten präzise und prägnant. So wurde der Eindruck eines gut durchdachten und funktionierenden Ganzen vermittelt, allerdings fehlte mitunter jener  Esprit, der den Funken zum Publikum tatsächlich überspringen lässt.