Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Silvia Thurner · 28. Feb 2016 · Musik

Ausgelassen und leidenschaftlich – Patricia Kopatschinskaja und das „Orchestre des Champs-Èlysées“ unter Philippe Herreweghe gaben ein wahres Meisterkonzert

Im Abonnement der Bregenzer Meisterkonzerte wurde mit dem Violinkonzert, op. 64 von Felix Mendelssohn Bartholdy sowie Beethovens Fünfter Symphonie und der Coriolan-Ouvertüre ein konservatives Programm angekündigt. Doch die Werkdeutungen des „Orchestre des Champs-Èlysées“ unter der Leitung von Philippe Herreweghe wirkten erfrischend neu, denn bekanntlich musiziert das Orchester auf Originalinstrumenten und mit dem Wissen der historischen Aufführungspraxis. Im Mittelpunkt stand die charismatische Geigerin Patricia Kopatchinskaja. Mit ihrer authentischen, humorvollen sowie sinnlichen Spielart zog sie wieder aufs Neue alle in ihren Bann.

Längst gibt es viele Musikliebhaberinnen und –liebhaber, die ganz auf die historisch informierte Aufführungspraxis und die Originalklangbewegung eingeschworen sind. Beim Bregenzer Meisterkonzert mit dem französischen „Orchestre des Champs-Èlysées“ unter der souveränen Leitung von Philippe Herreweghe war nachvollziehbar, worin diese Faszination begründet liegt. Der Gesamtklang des Orchesters wirkte wunderbar abgerundet und weich, zugleich jedoch schwungvoll und kontrastreich. Und genau die Vorzüge, die den künstlerischen Leiter Philippe Herreweghe auszeichnen - wie der lebendige musikalische Ausdruck und vor allem die rhetorische musikalische Gestaltung - belebten auch die Werkdeutungen im Bregenzer Festspielhaus.

Pure Emotion


Im Zusammenwirken mit Patricia Kopatchinskaja entwickelte sich das Violinkonzert, op. 64 von Felix Mendelssohn Bartholdy zu einem mitreißenden Ereignis. Da gab es keine einzige glatte, oberflächlich romantische Floskel, sondern pure Emotion. Patricia Kopatchinskaja musizierte in einem schönen Dialog mit dem Orchester und ihr Spiel zeichnete sich durch eine besondere Farbigkeit aus. Die Musikerin scherte sich wenig um einen abgerundeten „Wohlklang“, sondern brachte alle Nuancen ihrer Geige von G.F. Pressenda (1834) zum Klingen. Aus der Stille heraus formte sie die musikalischen Gestalten und bewirkte damit, dass die leidenschaftlich bewegten Passagen umso mehr Esprit entwickelten. Erdig in den tiefen Lagen, mit wunderbar „dreckigen“ Spielgeräuschen, ein fast tonloses Stammeln und leidenschaftliches Singen waren weitere wesentliche Merkmale ihres Spiels.

Die Aufforderungen, die die Solistin an die Orchestermusikerinnen und –Musiker sandte, wurden von diesen geistreich erwidert. So kristallisierte sich eine Werkdeutung mit vielen Höhepunkten und neuen Hörvarianten heraus und das viel gespielte Konzert wirkte erfrischend neu.

Gewichtungen, Kontraste und rhythmische Kraft


Ebenso verhielt es sich mit Beethovens fünfter Symphonie. Der Interpretationsansatz des „Orchestre des Champs-Èlysées“ unter Philippe Herreweghe stellte die Themen in ausgeklügelten Korrespondenzen zwischen den Stimmgruppen dar. Phrasierungsbögen wurden straff gespannt und die gut akzentuierten Themen in den Klangvordergrund gestellt. Bewundernswert war die transparente Linienführung, die die musikalischen Gesten bis ins Detail nachvollziehbar zum Ausdruck brachten. Darüber hinaus ließ die Spielart des Orchesters die rhythmische Kraft, die in Beethovens Fünfter liegt, neu erleben.

Positionierung der Instrumente


Die Werkfolge war logisch aufgebaut, denn mit der eingangs gespielten Ouvertüre „Coriolan“, op. 62 von Ludwig van Beethoven führte das Orchester die Zuhörenden in ihre besonderen Klangqualitäten ein. Auffallend war unter anderem der prägnante Einsatz der Pauken, die hinter den Streichern postiert war, und der swingende Drive der Kontrabässe, deren Klang in erhöhter Position direkt den Weg ins Auditorium fanden. Die Spielart des Orchesters lenkte die Ohren auch auf charakteristische, symbolträchtig eingesetzte Tonschritte und betonte die harmonischen Farben.

Nicht nur in der Vergangenheit schwelgen


Dass die Musikerinnen und Musiker nicht nur in der Vergangenheit schwelgen, sondern auch Musik des 20. und 21. Jahrhunderts intus haben, zeigten Patricia Kopatchinskaja, die Klarinettistin, die Paukistin aus den Reihen des Orchesters und Philippe Herreweghe in einer wunderbar humorvollen Zugabe. Im Quartett setzten sie den 2. Teil der „living room music“ von John Cage in Szene.