Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Silvia Thurner · 05. Mär 2016 · Musik

Der Spielbodenchor „scheiterte“ sich mit einer höchst originellen Revue nach oben

Seit Jahrzehnten ist der Spielbodenchor bekannt für seine ausgefallenen Konzertideen. Was derzeit en vogue ist - nämlich inszenierte Konzertdramaturgien - ist für die kreativen Sängerinnen und Sänger sowie deren Chorleiterin Bettina Rein eine Selbstverständlichkeit. Mit dem aktuellen Programm trifft der Chor den Nagel auf den Kopf. Soviel Selbsterkenntnis sowie die Fähigkeit, einen ironischen Blick auf sich selbst zu werfen, und noch dazu das Publikum mit überhaupt nicht lustigen Themen bestens zu unterhalten, erlebt man nicht alle Tage. Der Spielbodenchor und Bettina Rein gaben ihr Bestes, als 24-Stundenhilfe veredelte die Schauspielerin Helga Pedross das Programm, das in der fantasiereichen Regie von Barbara Herold in Szene gesetzt wurde. Die projizierten und vorgetragenen Texte, Bilder und Kurzfilme ergänzten die Wirkung der musikalisch-schauspielerischen Darbietungen hervorragend.

Das aktuelle Programm des Spielbodenchores kreiste um den allseits geläufigen Merksatz: „Über mögliche Wirkungen und unerwünschte Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“. Dieser wurde aus vielerlei Blickwinkeln betrachteten und auch aufs Korn genommen. Mit unterhaltsamen, kritischen, witzigen und sarkastischen Anspielungen stellten die Chormitglieder - die meisten waren auch als Sprecher in das Gesamtgeschehen integriert - eine kurzweilige Revue zusammen, die in sich feinsinnig zusammengestellt war und einen guten dramaturgischen Bogen spannte. Stationen der einzelnen Themenkreise wurden mit Texten sowie Chorsätzen, Volksliedern, Schlagern und Schnulzen markiert, die teilweise als Sprechchor rezitiert und rhythmisiert dargeboten wurden.

Stimmige Liedauswahl


Ernst Tochs „Fuge aus der Medizin“ (frei paraphrasiert nach der Fuge aus der Geographie) führte mit allerlei medizinischen Ausdrücken in die Thematik ein und bereits hier ließ der Spielbodenchor mit rhythmischer Prägnanz aufhorchen. Auf den Tourismus und dessen negative Auswüchse spielte der Chor unter anderem mit dem Lied „In die Berg bin i gern“ an. Hier zeigte sich die Qualität der Bildzuspielungen von Caro Stark und Mark Mosman besonders gut, denn die Bilder von überdimensionierten Liftanlagen gaben die Denkrichtung vor. Genau so plastisch wirkten jene Passagen, in denen der Spielbodenchor die Umweltverschmutzung und Umweltkatastrophen ansprach und dazu unter anderem „Die Fischerin vom Bodensee“ anstimmte. Genmutierte Männer boten viel Unterhaltung zu Udo Jürgens Schlager „Immer wieder geht die Sonne auf“. Mit der „Rede ohne Inhalt“ von Bettina Rein sowie Josef Haders „So ist das Leben“  und einigen anderen wurde auch die Politik und das Hypo-Desaster gestreift. Doch nie agierte der Chor mit einem moralisierenden Fingerzeig, sondern stets stand ein tiefsinniger Humor im Vordergrund, dem natürlich viel Wissen zugrunde lag. Pathetisch wirkte eingangs die Schnulze „Ein bisschen Frieden“. Doch diese Einlage beendeten die Chorsänger mit einer eindrücklichen Schlusspassage, sie erstickten den Wunsch im Keim.

Fantasievolles Instrumentarium


Der Spielbodenchor zeichnete sich weniger durch stimmliche Brisanz oder eine einwandfreie Intonation aus, sondern viel mehr durch den authentischen und originellen Zugang zur musikalischen Gestaltung. So fanden Sparkassen- oder Pillendosen als Shaker eine neue Funktion. Die rhythmischen Patterns mit Müllsäcken zum Lied „Mull“ von Rolf Aberer sprachen Bände.

Mit viel Hirnschmalz erdacht


Dass die Projektgruppe rund um Barbara Herold mit Luzia Baumgartiner, Birgit Blenke, Winfried Häfele, Gunhild Häusle-Paulmichl, Helmut Krapmeier, Maria Kopf-Karu, Armin Lenz, Christoph Ludescher, Friederike Pipal, Bettina Rein, Willi Sieber und Siegbert Wiehl viel Spaß beim Zusammentragen der Ideenfülle hatte und die einzelnen Rollen für die Chorkollegen maßgeschneidert hatten, war spürbar und machte die Qualität der Aufführung aus. Das Regiekonzept von Barbara Herold bündelte die Ideen in einen gut nachvollziehbaren und kurzweiligen Handlungsablauf, der die Chormitglieder in Bewegung setzte, jedoch nicht zu viel Unruhe in das Gesamtgefüge brachte. Hervorragend agierte Helga Pedross als umtriebige 24-Stunden-Hilfe.

 

Weitere Vorstellungen:
Sonntag, 6. März, Spielboden Dornbirn, 20:30 Uhr
Dienstag, 8. März, Spielboden Dornbirn, 20:30 Uhr