Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Anita Grüneis · 01. Okt 2022 · Musik

Ein Abend voller Sehnsüchte und Melancholie – artemis* im TAK

artemis* war bereits 1970 im TAK aufgetreten, damals noch als Anne Frommelt-Demanet, die, aus Paris kommend, ihrem Mann Martin nach Liechtenstein gefolgt war. Mit ihren damaligen Chanson-Konzerten hatte sie einen Hauch von Francoise Sagans „Bonjour tristesse“ in die fürstliche Provinz gebracht. Nun war sie wieder gekommen, diesmal mit eigenen Liedern und einer eigenen Band. Sie hatte sogar ihre Enkeltöchter mitgebracht. Viel Neues war zu hören und doch ist eines gleichgeblieben – ihre samtene Stimme mit dem dunklen Timbre, in der noch immer die Sehnsucht wohnt.

Alle Lieder selbst komponiert

Auf dem Programm standen „Ballades des quatre saisons“ – alle von artemis* selbst komponiert und gesungen. Bereits als 15-Jährige hatte sie erste Lieder geschrieben und sich beim Singen immer selbst auf der Gitarre begleitet. Diese Aufgabe hatte an diesem Abend Organist und Musiklehrer Gero Pitlok übernommen, der sich nicht nur als einfühlsamer Begleiter erwies, sondern gelegentlich auch leise mitsang oder die Chansonette am Klavier begleitete. Weitere Musik-Partner waren Karl Gassner am Kontrabass, Julia Scheurle am Violoncello, Martin Real mit seiner Mundharmonika und Jean-Jacques Mengou-Tata an der Djembe. Sie alle blieben im Hintergrund, schufen aber mit ihrer Musik jene Räume, in denen sich die besinnlichen Lieder von artemis* frei entfalten konnten.

Das Hohe Lied für den Vater

Ob sie von ihrem Haus sang, das eine Insel ist, von der Wüste dahinter, oder ob sie an ihren Vater erinnerte, der ihr „Clown“ war, ihre „Insel der 1000 Spiele“ und ihr „Jongleur der vier Jahreszeiten“ – immer war eine unbeschreibliche Sehnsucht in ihrer Stimme, eben jene Tristesse, die keine Traurigkeit ist, sondern eine innere Stimme, die weiß, dass des Lebens Freude so nah am Leid grenzt. Melancholie und Weltschmerz vereinen sich darin, aber auch eine stille Freude und eine Lust am Schauen. Kein Wunder, denn die Künstlerin Anne Frommelt entdeckte vor vielen Jahren die griechische Insel Tinos als ihre neue Heimat. Dort baute sie ihr Haus, dort lebte sie mit dem Meer und saß am Webstuhl und wob in ihre Teppiche jene Mythologien, in denen sie sich zuhause fühlte. Sie wurde zu artemis*, Göttin der Jagd, des Waldes, der Geburt und des Mondes sowie Hüterin der Frauen und Kinder. Ihre drei Enkelkinder Rosalie Mengou-Tata, Lorena Vonbun, Lucinda Mengou-Tata waren an diesem Abend mit auf der Bühne und sangen mit ihr gemeinsam, dabei fiel vor allem Rosalie Mengou-Tata auf, die mit ihrer klaren Stimme einen wunderbaren Gegenpol zu der vollen sonoren Stimme ihrer Großmutter bildete.

Die Muscheln und ihre Geheimnisse

Es war ein Abend, der tief eintauchen ließ in die Weichheit der französischen Chansons, ihren Räumen voller Schwermut und Melancholie, aber auch voller Sehnsucht und Verlangen. Einige der Texte der artemis* Lieder waren von Friedrich von Bützingslöwen übersetzt worden. So hieß es zum Beispiel in einem Chanson: „Die Muscheln verbergen ihre Geheimnisse, in der Stille höre ich das Meer. Von einer Insel spricht das Lied“ ... und als sich dann Gero Pitlok ans Klavier setzte und mit seinen Tönen die Meereswellen dahinrauschen ließ, das Cello von Julia Scheurle von Geheimnissen raunte, Karl Gassner am Bass die Erdung übernahm, Martin Real mit seiner Mundharmonika einen Hauch von Western-Stimmung hineinbrachte und artemis*‘ Stimme die Sehnsucht in sich aufbäumen ließ und genau davon erzählte, war plötzlich das ganze Publikum auf dieser Insel, in diesem Haus, das immer beschrieben wurde, und alle spürten das Geheimnis der Muscheln, die in sich etwas wachsen lassen können – oder auch nicht. Anne Frommelt, resp. artemis*, hat längst viele Muscheln in sich gesammelt, in denen auch der Schrei der Erde verborgen zu sein scheint. Ein eigenwilliger, in sich stimmiger Abend, der viel über Sehnsüchte, Tristesse und die Hingabe an das Leben erzählte.

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