Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Thomas Kuschny · 16. Nov 2019 · Musik

Angriff der Killerviren!

„Clickbaiting“ nennt der Amerikaner das Platzieren reißerischer Überschriften zur Gewinnung größerer Aufmerksamkeit, das auch hierzulande längst sämtliche Medien infiziert zu haben scheint. Zum Testen nun sogar in der „Kultur“, denn freilich waren es keine Killerviren, sondern die Husten und Heiserkeit generierenden Verwandten, die beinahe den Auftritt des Trios „Rom Schaerer Eberle“ im Spielboden Dornbirn verhindert hätten. Dem Himmel oder wem auch immer sei gedankt, daß sie es nicht geschafft haben.

Schon wieder ein Projekt aus der Wiener Jazzwerkstatt! Das verwundert natürlich nicht, ist doch auch Trompeter Martin Eberle ebendort sozialisiert und gleichzeitig Kurator der Reihe „Jazz&“ im Spielboden. Dagegen ist allerdings absolut nichts einzuwenden, solange das seit 2004 bestehende lose Kollektiv weiterhin so hochkarätige Formationen gebiert.
Zwar schon vor zehn Jahren gegründet, ist die Gruppe aber eher selten zu hören, alle Beteiligten sind noch in zahlreichen anderen Projekten beschäftigt, Eberle zum Beispiel mit „5KHD“, „Kompost3“, dem Jazzorchester Vorarlberg und so fort.
Der Sound der Drei wirkt genauso wie die Bühne sehr aufgeräumt, nur Gitarrist Peter Rom gönnt sich zwei Verstärker, für jedes Ohr einen sozusagen. Auf elektronische Effekte wird nahezu verzichtet, keine Loops verdichten unnötig, vertraut wird fast gänzlich auf transparentes Ensemblespiel ohne kraftstrotzende Soli. Stilistisch tanzt man auf mehreren Hochzeiten, neben betörenden Jazzballaden und funkigen Rhythmusmonstern fallen vor allem starke afrikanische Einflüsse auf. Peter Rom klebt dazu zur Dämpfung ein Stück Tape auf die Saiten, auf so simple Art verwandelt sich die E-Gitarre in ein Balafon, um dann mit makellos rasanten Sechzehntelfiguren den doch wieder gitarrenlastigen, typischen Sound Westafrikas zu evozieren.
Martin Eberle ergänzt mal mit weichem Flügelhorn-Ton, mal perkussiv ins Gebläse pustend oder ganz klassisch mit souveränen Trompetenlinien.
Es ist aber einmal mehr der wie oben erwähnt virusgebeutelte Andreas Schaerer, der die Münder des geneigten Publikums offen stehen lässt. Man kann es eigentlich auch nach mehrmaligem Live-Genuss (mit „A Novel of Anomaly“ oder Lucas Niggli) immer noch schwerlich glauben, was dieser Mann mit Kehlkopf, Stimmbändern und Mikrofon aufführt! Als „Human Beat Box“ im Stück „Cooking The Books“ etwa würde er so manchem Drummer die Schamesröte ins Gesicht treiben. Dazu simultan (!!!) gesungene Melodien lassen einen dann zweifeln, dass hier wirklich nur eine Person zu Werke geht. In ruhigen Momenten beweist er außerdem seine Qualitäten als steinerweichender Crooner. Über schnellen Bebop-Walking-Bass muss er pfeifend improvisieren, die höheren Register sind krankheitsbedingt ausgefallen. Mit Fortdauer des Konzerts müht er sich zunehmend, nach etwa einer Stunde ist Schluss. Schade, denn eine so locker aufspielende, unprätentiös agierende Truppe mit interessanten, innovativ arrangierten Kompositionen hätte man gerne noch länger gehört. Aber heute Abend spielt das Trio in Budapest, möge das bisschen Regenerationszeit ausreichen!