Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast. (Foto: Matthias Horn)
Thomas Kuschny · 15. Mai 2010 · Musik

Abseits des Mainstreams – Soundsnoise-Festival am Spielboden Dornbirn

„Soviele alte Menschen hier ...“, tönt es mit jugendlicher Stimme beinahe dialektfrei irgendwo von rechts. Gemeint sein dürften in diesem Fall Leute über 30, tatsächlich die Mehrheit beim Auftakt zum dritten „Soundsnoise“-Festival am Spielboden Dornbirn. Dieses setzt sich die Verbreitung von Musikstilen abseits des Mainstreams zum Ziel, ein Ansinnen, das an sich ja schon einer goldenen Verdienstmedaille würdig ist, zumal man Ähnliches bislang nur weit außerhalb des Landes finden konnte (z.B. beim Klangbad-Openair in Scheer/Deutschland). Die „jungen Menschen“, sicher auch Zielpublikum, seien hier stellvertretend eingeladen, Klänge zu entdecken, die auch FM4 nur im sonntäglichen Spätabend versteckt.

Dauervollgas mit dem „Panzerballett“

„Panzerballett“ nennt sich die erste Band, der Name ist Programm. Die Hochzeit sowohl der Highspeed-Patchwork Gewitter von John Zorn und Konsorten als auch der (wie treffend!) „Math-core“ genannten undurchschaubar-komplexen Metal-Ungetüme à la „Meshuggah!“ sind zwar schon einige Jährchen her, es gibt aber noch Unentwegte wie das „Panzerballett“, die sich und dem Publikum vor Beginn einfach viel Spaß wünschen und sich dann mit Verve durch ein Set prügeln, als gebe es kein Morgen. Mit mathematischer Präzision, die allerdings durch Lautstärke und ein bisschen Zuviel von allem im Matsch unterzugehen droht und damit an Schärfe verliert, interpretiert man hauptsächlich Kompositionen von Dritten. Das kann in der Tat witzig sein, wenn z.B. die alte Dirty Dancing-Schmonzette „Time Of My Life“ durch schwermetallene, ungerade Metren in der Luft zerrissen wird, das Gefühl der Übersättigung stellt sich allerdings bei Dauervollgas viel schneller ein als sonst. „Rammstein des Jazz“ soll der Zeit-Rezensent die Truppe genannt haben, so schlimm war’s freilich nicht.

„Fire licks Dynamite“ – holpriger Charme

„Fire licks Dynamite“ aus Vorarlberg kommen aus der gegenüberliegenden Ecke, mit nervösem Virtuosentum hat man nichts am Hut. „Jeder ist ein Künstler“ hat der alte Beuys gesagt, das Duo spielt mit Laptop-Unterstützung frisch von der Leber weg, holpert sich nicht ohne Charme durchs Programm. Viele Einflüsse sind da zu hören, Electroclash-Bands ebenso wie die Violent Femmes oder DAF oder deren Wiedergänger. Leider sind die Pausen zwischen den Songs viel zu lang. Speed up!

„Die Anarchistische Abendunterhaltung“ – jenseits aller Genregrenzen

„Die Anarchistische Abendunterhaltung“ nennt sich, anscheinend von Hermann Hesses „Steppenwolf“ inspiriert, der dritte Beitrag. Zu später Stunde mutig programmiert, denn hier ist zur Abwechslung die Pause soviel wert wie die Note, viele pianissimo Passagen sind manch einem geschwätzigen Festival-Besucher ein Dorn im Auge. Zum Glück sind die Interessierten bald unter sich, geboten wird nämlich hochkonzentrierte, spannungsgeladene Musik jenseits aller Genregrenzen. Mit Klarinette, Akkordeon, Cello und Kontrabass schaffen die vier Belgier einen völlig eigenen Sound, in Kompositionen, die schlüssig und ungewöhnlich zugleich sind, ob dissonante Cluster, ob tonnenschwer dröhnende Rhythmen oder filgrane, leichte Melodien, es fügt sich alles stimmig ineinander. Wow!

Live-DJs, also solche, die nicht nur Platten auflegen, sondern in Echtzeit Dance-Tracks generieren, dürfen auf so einem Festival nicht fehlen. Die heftigen „Audio Wild Hog & Guitar“ bilden so den adäquaten Abschluss des Abends, der freilich viel früher mit einem Sequenzer-Workshop zum Selbermachen einlud. Gute Idee, auch wenn die präsentierte Software nur auf den etwas sehr trendigen Apparaten des Herrn Jobs läuft.

Weiteres Programm:
Samstag, 15.5., ab 20 Uhr:
Call me Kat, Next Life, Sir Tralala, Binder und Krieglstein
17 bis 20 Uhr: Musikprod.Logic.Workshop