Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Markus Barnay · 17. Sep 2016 · Literatur

Vom Milchpilz bis zum Maisäß - Denkmal Guide Vorarlberg - ein neuer Reiseführer zu den Kulturschätzen Vorarlbergs

Er ist nicht allzu groß, aber mit 480 Seiten recht umfangreich, und steht seit vielen Jahren in den Bücherregalen vieler kulturbeflissener Menschen: der Dehio, jenes Handbuch der Kunstdenkmäler in Vorarlberg, das 1983 erschien und 2011 mangels Alternativen sogar nachgedruckt wurde. Jetzt gibt es doch eine Alternative: Am 25. September, dem Tag des Denkmals, werden die ersten beiden Bände eines neuen „Denkmal Guide Vorarlberg” präsentiert. Verfasser ist der Architekt Johann Peer, von 1991 bis 2006 Leiter der Abteilung Stadtplanung im Amt der Stadt Feldkirch und Verfasser mehrerer Bücher über die Vorarlberger Kulturlandschaft. Die Fotos stammen von Friedrich Böhringer, einem Möbelkonstrukteur und Fotograf, dessen Werke weit verbreitet sind: Auf seinen Namen stößt man, wenn man im Internet nach Fotos von Vorarlberger Baudenkmalen sucht und den Urheber recherchiert – er hat fast alles fotografiert. Markus Barnay hat sich mit Friedrich Peer über sein neuestes Werk unterhalten.

Markus Barnay: Herr Peer, was ist denn der wesentliche Unterschied zwischen dem alten Dehio-Handbuch der Kunstdenkmäler Vorarlbergs und Ihrem Denkmal Guide?

Friedrich Peer: Der Dehio war zunächst einmal eine Bestandsaufnahme und eine Bewertung einzelner Objekte, wobei einige Regionen sehr gut dokumentiert sind, andere Regionen überhaupt nicht. Der wesentliche Unterschied ist aber, dass der Dehio die Kunstdenkmäler nur gesammelt und dokumentiert hat, um quasi die Grundlagen für eine Unterschutzstellung festzustellen, während wir alle Objekte dokumentieren, die bereits unter Denkmalschutz stehen.

Barnay: Und wie unterscheiden sich Ihre Beschreibungen von denen von 1983?

Peer: Die damaligen Autoren waren fast ausschließlich Kunsthistoriker, die sich mit der künstlerischen und kunstgeschichtlichen Bedeutung der Objekte beschäftigt haben. Ich komme eher von der Architektur und habe daher einen anderen Blickwinkel: Mich interessiert die Kulturlandschaft, also die Einbettung der Gebäude in die Landschaft. Die Bauernhäuser beispielsweise haben sich in ihren Formen ja je nach den landschaftlichen Erfordernissen entwickelt, und ich schau mir auch an, wie sehr die Gebäude mit der Landschaft harmonieren.

Barnay: Die Objekte, die Sie in Ihrem Guide präsentieren, stehen also ausnahmslos unter Denkmalschutz?

Peer: Ja, aber das sind ja auch schon über 1500 Objekte. Das Denkmalamt veröffentlicht ja jährlich eine Liste mit allen Denkmalen, und da kommen jedes Jahr ein paar neue dazu und gelegentlich eines weg – und nach dieser Liste sind wir vorgegangen.

Ausgeweiteter Denkmalbegriff

Barnay: Welche neuen Denkmale sind denn in den letzten Jahren dazu gekommen?

Peer: Hauptsächlich sind das „anonyme“ Objekte, so wie Bauernhöfe im Bregenzerwald oder Maisäße im Montafon. Das hat früher noch keine so große Rolle gespielt, obwohl bäuerliche Haus- und Hofformen ja durchaus schon ein Thema im alten Dehio waren. Der Denkmalbegriff selbst hat sich aber ausgeweitet, hauptsächlich in Richtung anonyme Häuser, also Bauernhäuser oder normale Wohnhäuser. Aber es sind auch neuere Objekte dabei, die eine gewisse kulturhistorische Bedeutung haben – zum Beispiel wird ernsthaft überlegt, den Milchpilz an der Seestraße in Bregenz unter Denkmalschutz zu stellen, weil er eine gewisse Zeit, Materialität und Funktion repräsentiert, die es kein zweites Mal in der Form gibt. Aber auch das Kameradschaftshaus mit dem Schindlersaal in Kennelbach aus der NS-Zeit dokumentiert eine bestimmte Zeit und steht deshalb unter Schutz.

Barnay: Der auffälligste Unterschied zwischen dem Dehio und Ihrem Guide ist die Bebilderung: Damals gab es nur Grundrisse, Skizzen und Pläne, heute haben Sie praktisch auf jeder Seite mehrere Fotos. Die spielen offenbar eine große Rolle für Sie?

Peer: Ich glaube, die Fotos sind für unser Konzept ganz entscheidend. Gute Fotos sind für den Laien einfach aufschlussreicher als Grundrisspläne. Und wir wollen mit unseren Büchern auch die Touristen ansprechen.

Barnay: Womit wir bei der Zielgruppe wären: An wen richtet sich der Denkmal Guide Vorarlberg?

Peer: Da sind wir bei meinem Motiv für die ganze Arbeit. Ich habe festgestellt, dass es Wanderführer, Radführer oder Bergführer gibt, aber eben keine Denkmalführer. Der Aufbau unserer Bücher folgt denn auch dem Konzept eines Führers durch das Land. Es enthält Geodaten, Wegbeschreibungen, Übersichtskarten und genaue Karten, wo die Objekte sind. Man soll die Denkmale auch finden können – und sich mit Hilfe der Fotos auch schon vorher ein Bild machen können.

Barnay: Sie gehen also davon aus, dass die Leser Ihrer Bücher auch die Objekte vor Ort anschauen?

Peer: Ja, zum Großteil jedenfalls. Die Touristen zum Beispiel kaufen sich so ein Buch ja nicht, um es zu Hause anzuschauen, sondern als Orientierungshilfe, um die Gebäude zu finden und direkt zu besichtigen.

Einheimische erreichen

Barnay: Womit wir bei einem weiteren Unterschied zum Dehio wären: Der eignete sich ja kaum als Führer, sondern war eher ein Nachschlagwerk für Fachleute?!

Peer: Ja, und auch viel zu trocken – mit all den Abkürzungen und Fachbegriffen. Außerdem war er alphabetisch gegliedert, auch nach Straßen, während wir richtige Routen anbieten, auf denen man von einem zum nächsten Objekt kommt.

Barnay: An die Touristen allein werden Sie aber wahrscheinlich nicht die ganze Auflage verkaufen?

Peer: Nein, wir wollen natürlich auch die Einheimischen erreichen – und da denken wir unter anderem auch an die Bildungsinstitutionen, die Schulen, Hochschuleinrichtungen. Dort sollte das Buch in den Bibliotheken stehen. Aber auch in den Gemeinden selbst. Ich musste ja bei den Recherchen feststellen, dass manche Bürgermeister gar nicht wissen, was in ihren Gemeinden alles unter Denkmalschutz steht.

Barnay: Und wie haben Sie das bemerkt?

Peer: Wir mussten ja die Objekte alle besichtigen – für die Fotos, aber auch, um zu klären, wie leicht sie zugänglich sind, wie es mit den Eigentumsverhältnissen steht usw. Manchmal benötigten wir eine Genehmigung, um sie – zum Beispiel über Forststraßen – zu erreichen. Aber da gab es dann auch viele Bürgermeister, die durchaus stolz auf ihre Denkmale waren und sich sehr gut auskannten. Und apropos Stolz: Eine wichtige Zielgruppe für uns sind natürlich die Eigentümer der Objekte selbst. Die sollen durch unsere Bücher eine Art öffentliche Anerkennung erfahren, indem sie quasi für ihr Engagement ausgezeichnet werden.

Barnay: Und wie sieht es denn jetzt mit der Zugänglichkeit aus? Kann man die Objekte denn alle besichtigen?

Peer: Nein, da sind natürlich viele private und bewohnte Objekte dabei, die man nur von außen anschauen kann – deshalb haben wir ja auch die Fotos im Buch, die teilweise auch Innenräume zeigen, die nicht für jedermann zugänglich sind. Aber es sind ja auch nicht alle Kapellen immer geöffnet. Wer sich also da noch ein genaueres Bild machen will, muss anklopfen und sich mit den Menschen in Verbindung setzen, oder den Schlüssel für die Kapelle besorgen.

Barnay: Danke für das Gespräch

 

Denkmal Guide Vorarlberg
Buchpräsentation am Tag des Denkmals
25.9., 10 Uhr
Bundesdenkmalamt in der Bregenzer Oberstadt
www.tagdesdenkmals.at/vorarlberg/

 

Johann Peer/Friedrich Böhringer: Denkmal Guide Vorarlberg. Band 1: Bregenzerwald, Kleinwalsertal; Band 2: Bregenz, Leiblachtal, Rheindelta, Hofsteig, je ca. 300 Seiten, je 18,50 €, Bucher Verlag Hohenems 2016