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Ingrid Bertel · 03. Jul 2013 · Literatur

Trappen und Attrappen – Die Krimiautorin Eva Rossmann schreibt eine Fortsetzung der Novelle „Trans-Maghreb“ von Hans Platzgumer, mit eigener Perspektive

Als der in Lochau lebende Autor und Musiker Hans Platzgumer vor einem Jahr die Novelle „Trans-Maghreb“ vorlegte, da reagierte nicht nur die professionelle Kritik mit Begeisterung. Das Buch inspirierte offenkundig auch die Wiener Krimiautorin Eva Rossmann. Und zwar so sehr, dass sie die Figuren aus Platzgumers Novelle, die in Libyen spielt, nach Österreich verfrachtete und dort dubiose und weniger dubiose Geschäfte treiben ließ. „Krummvögel“ lautet der Titel dieses Romans.

Anna und Hans sind arbeitslose Journalisten. Ihn braucht sein Radiosender nicht mehr, und sie wurde von ihrer Zeitung beurlaubt, weil sie dem Bundeskanzler eine Torte ins Gesicht geschmissen hat. Die beiden verfügen also über reichlich Freizeit und wandern durch Feld und Flur auf der Suche nach Krummvögeln. Ohne allzu genau über Flora und Fauna Bescheid zu wissen. Denn was um alles in der Welt sind „Krummvögel“? Jedenfalls keine Truthähne, keine Kapaune, keine Puten, keine Trappen. Aber etwas Hühnerähnliches.

Bauunternehmer Anton Corwald


So einen Vogel finden die beiden zwar nicht, dafür aber einen verwirrten jungen Mann unbestimmbarer Herkunft. Einen Zettel reicht er ihnen. Darin ist von Zagreb oder Wagram oder Agram die Rede, auch von einem Anton Corwald. Ein kroatischer Maurer springt als Übersetzer ein: „… gradevinski heißt zirka Gebäud‘, gradevinski poduzetnik heißt Bauunternehmer, da kenne ich mich aus.“ Der seltsame Fremde – Anna und Hans nennen ihn den „großen Braunen“ – erzählt, dass er Anton Corwald suche, dass dieser – so wie er selbst auch – aus Libyen geflohen sei. Damit sind wir also gleichsam in der „Vorgeschichte“, in Hans Platzgumers Novelle „Trans-Maghreb“, in der ein Anton Corwald eine Baustelle des maghrebinischen Hochgeschwindigkeitszugs leitet und samt Belegschaft durch die Revolte gegen Gaddafi vertrieben wird. Eva Rossmann nimmt einen Teil der Figuren Platzgumers und erzählt die Geschichte in Österreich weiter. Sicherheitshalber macht Anna „Hans“ zum Gewährsmann. Und Eva Rossmann macht erzählend deutlich, was sie an Platzgumers Buch fasziniert.

Gepriesen und dann abgepreist


„Corwald sei der Über-drüber-Chef gewesen, der, der alles checkt. So eine Art Halbgott mit Beziehungen und Geld. Und dazu noch sympathisch. Also eigentlich ein Fast-ganz-Gott.“ Das ist nur teilweise ironisch und trifft Platzgumers Romanfigur recht gut – nur ist dessen Corwald geschmeidiger, undurchsichtiger. Anna dagegen bewegt sich durch eine Veltliner-satte österreichische Wirklichkeit, die sie mit bodenständigem Humor betrachtet. Gerne schlendert sie zum Beispiel mit Hans durch Baumärkte. „Gefährlich lächelnde Gartenzwerge“ stehen da neben einem Plastik-Kruzifix. „Ich finde den Preiszettel: ‚54 cm Christus am Kreuz, 39 Euro’. Der Betrag ist durchgestrichen und mit der Hand auf 19,90 Euro ausgebessert. Schweigend halte ich Hans die Rückseite des Kreuzes entgegen. Gepriesen und dann abgepreist. Ein Schicksal, das den Gekreuzigten allerdings nicht allein trifft.“

Plötzlich finden sich Spione und Polizisten bei Anna und Hans ein. Die haben zwar keine Ahnung warum, erfahren aber, ein Graf Hochhügel sei abgängig, ein ehemaliger Minister. Und wer den Bundeskanzler tortet und sich mit großen Braunen trifft, soll der etwa nicht verdächtig sein? Der ehemalige Minister ist ein hochsynthetisches Exemplar aus Rossmanns Galerie der österreichischen Politik, zusammengesetzt aus unschwer identifizierbaren Größen. „Der Typ hat ein paar Feinde. Könnte auch ein übertriebener Patriot gewesen sein. Hat er nicht gesagt: ‚Austria ist too small for me’, um sich irgendeiner internationalen Konzern-Bande an den Hals zu werfen?“ Ja, Witze über Hubert Gorbach sind wohlfeil in jedem Baumarkt zu haben, und Eva Rossmann ist nicht eben wählerisch. Außerdem taucht der verschwundene Minister sowieso wieder auf. Und im Hof von Hans und Anna scharrt ein ungebetenes, riesiges weißes Huhn. Ein Krummvogel gar? Und weiß am Ende seine Mama, wo Anton Corwald weilt?

Der echte Hans


„Sie sagt, er sei tot. Es gibt ein Video. Da liegt er mit dem Gesicht nach unten da. In seinem typischen Outfit.“ Und das kennen wir ja aus Hans Platzgumers Buch. Nur möchte Corwalds Mutter nicht an den Tod ihres Sohnes glauben. „‚Sie sagt, weil sie, obwohl es keine Hoffnung gibt, weiter hoffen will.’ ‚Ist sie Griechin?’, wirft Hans ein. Ich versuche ihn mit einem bösen Blick zu erschießen. Jetzt ist wirklich keine Zeit für seine Späßchen.“ Allerdings liegen dem echten Hans, nämlich Hans Platzgumer, solche Späßchen ziemlich ferne. Sein Corwald ist wendig genug, um sich nicht in Designerjeans, Blouson und Seidenschal auf die Flucht zu machen. Das Videobild trügt. Und als der Gesuchte endlich auftaucht, hat er eine fatale optische Ähnlichkeit mit Hans Platzgumer.

Rätselhaft aber bleibt, warum Eva Rossmann gerade diese zarte, verhaltene Novelle zu ihrer deftigen Geschichte inspirierte.

 

„Krummvögel“ von Eva Rossmann ist ebenso wie „Trans-Maghreb“ von Hans Platzgumer im Innsbrucker Verlag Limbus erschienen, Reihe AC Wohnen. 220 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, 18,90 Euro. ISBN 978-3-902534-72-9