Neu in den Kinos: "Die Unschuld" (Foto: Wild Bunch Germany/Plaion Pictures)
Karlheinz Pichler · 26. Jun 2020 · Literatur

"Sich aufmachen …" - Sepp Gröfler ist unter die Lyriker gegangen

Eigentlich kennt man ihn als Kabarettisten, Humoristen, Clown und Sozialpädagogen. Hauptberuflich leitet er die Telefonseelsorge Vorarlberg. Dass er auch Gedichte schreibt, war bislang nur Insidern bekannt. Die Rede ist von dem 1961 im salzburgischen Pinzgau geborenen und heute in Dornbirn lebenden Sepp „Beff“ Gröfler. Wobei das „Beff“ auf einen autistischen Jungen zurückgeht, der ihn so genannt hat.

Neben seinen vielen Jobs hat sich Gröfler immer wieder auch Zeit für das Schreiben genommen. So sind über die Jahrzehnte unzählige Gedichte entstanden, aus denen er nun 59 ausgewählt und unter dem Titel „sich aufmachen ...“ in einem Buch herausgegeben hat. Viele der Texte sind kurz gehalten, Miniaturen, und handeln von der alltäglichen Existenz, dem Sehnen, dem Wünschen, dem Lieben und reflektieren das Leben mit allem Drumherum. Dazwischen immer wieder auch Natur- und auch Selbstbetrachtungen, respektive Dialoge mit sich selbst und der Sprache. Ein Beispiel:

Tagebuch

Heuer ein Tagebuch vollgeschrieben
nie ein Datum angeführt
jetzt liest sich mein Jahr wie

ein Tag
eine Stunde
eine Minute
ein Moment

so muss Unendlichkeit sein
nur umgekehrt

Der Autor hat die 59 Texte in sechs thematische Cluster geordnet: „Sich aufmachen“, „Momentaufnahmen“, „Seelenschürfer“, „Innehalten“, „Aneinander wachsen“ und „SchrägX“. Diese stehen wie eine Klammer über den jeweiligen Gedicht-Blöcken, auch wenn sie immer am Fuß der Seite notiert sind. Beim Lesen fühlt man sich mitunter auch an einen Spruch von Pearl S. Buck erinnert, der da lautet: „Die wahre Lebenskunst besteht darin, im Alltäglichen das Wunderbare zu sehen.“

Von jemand, der in der Öffentlichkeit vor allem als Humorist und Kabarettist wahrgenommen wird, hätte man eigentlich in erster Linie lustige Texte, Texte zum Lachen erwartet. Dem ist aber beileibe nicht so. Die meisten Gedichte sind ernst, handeln von den Grundelexieren des Lebens. Nur hie und da schlägt der Schalk, der Witz, die Ironie durch. Vor allem bei den Gedankensplittern, wenn es etwa heißt:

Gedankensplitter III

Flädlesuppe
ist gut gegen
Sterben     

Und auch Dialektgedichte finden sich unter der 59-er-Auswahl. Sie alle sind pinzgauerisch eingefärbt, wie beispielsweise „In da Wüst'n“:

In da Wüst'n
bist weit weg vo
deim stern.

Trotzdem siagst'n
nirgends kloarer.

Hie und da muasst
durch d'Wüstn
damitst dei Liacht
wieda find'st.


Schräg wird’s, wie schon im Inhaltsverzeichnis angekündigt, dann eben auf den letzten Seiten. Paradigmatisch dafür der letzte Text:

Zeit
„Ich bin dann mal verstrichen!“

Das nennt man unter anderem auch Minimalismus: Einen Gedankengang kurz und schnörkellos auf den Punkt gebracht.
Wie ein Schleier schwebt auch eine Leitmaxime Gröflers über dem Gedichtkomplex: „Die Geschichte unseres Lebens erfinden wir täglich neu. Übers Experimentieren, Erzählen und Zuhören nähern wir uns der Wirkung unserer persönlichen Geschichten.“      

Kleinod

Dass das Büchlein, für das ein haptisches Papier (Pergraphica Rough, Classic) verwendet wurde, auch als regelrechtes Kleinod daher kommt, dafür sorgt die sehr ansprechende Gestaltung, die ganz klar die Handschrift des Dornbirner Grafikers Kurt Dornig trägt. Zudem wurden die 350 gedruckten Exemplare von Beate Fend handgebunden.
Und als besonderes Highlight kommen noch die Illustrationen der Künstlerin Sophie Thelen hinzu. Es sind sehr sensibel und fragil gehaltene, farbige Tuschezeichnungen, mit denen die Künstlerin auf einfühlsame und magisch realistische Weise einzelne der Gedichte visualisiert. Aktuelle Werke Thelens sind übrigens derzeit auch in einer sehenswerten Ausstellung in der Bludenzer Galerie allerArt zu sehen.

Sepp Gröfler: sich aufmachen ...
hrsg. im Eigenverlag, 2020
Illustrationen: Sophie Thelen
Gestaltung: Kurt Dornig
MRS Digitaldruck
Bezug: office@beff.at