Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Albert Ruetz · 28. Sep 2012 · Literatur

Rainer Wolf eröffnet Bild- und Denkwelten, die dem Gewöhnlichen Bedeutsamkeit verleihen

Es ist immer spannend, die über Jahre entstandenen Werke eines Künstlers in einem Kompendium zusammengefasst zu finden. Noch interessanter wird diese künstlerische Summary, wenn es unter einem besonderen Thema steht und als graphisch und künstlerisch gestaltetes Buch erscheint. Unter dem Titel „Natur im Fokus“ präsentiert Rainer Wolf ein Buch, das eine besondere Art der Naturbeobachtung und daraus resultierende Zeichnungen enthält. Künstlerisch und graphisch einfühlsam gestaltet ist das im Bucher Verlag erschienene Buch von Kurt Dornig.

Sein Blick geht in die Tiefe ...

Rainer Wolf war/ist Apotheker und seine seit Jahren gepflegte künstlerische Passion ist das Zeichnen. Was er jedoch aufs Blatt bringt, sind nicht die üblichen Klischees und Motive, sondern sind Formen, Strukturen von Gegenständen, die uns täglich begegnen, die völlig unprätentiös sind, ja im Grunde belanglose Dinge, die uns normalerweise nicht der Betrachtung wert erscheinen. Wolf macht jedoch diese Gegenstände zum Motiv seiner künstlerischen Arbeit. Dabei ist er nicht an der äußeren und unmittelbar sichtbaren Erscheinung dieser banalen und bedeutungslosen Dinge aus der Natur – Samen, Kerne, verdorrte Chilischoten, Käfer, Insekten, ja sogar ein plattgewalzter und vertrockneter Frosch findet sich – interessiert. Es sind dies objets trouvés, Dinge ohne Wert und ohne Bedeutung. Sein Blick geht in die Tiefe, spürt Formen und Strukturen nach, die nur unter dem Mikroskop sichtbar werden. Wolf ist dabei nicht daran interessiert, diese Beobachtungen einfach zeichnerisch wiederzugeben, sozusagen die dem Auge unsichtbaren Details aufzudecken, eine wissenschaftliche Arbeit abzuliefern. Es ist ihm um die besondere Form, um das Außergewöhnliche im Gewöhnlichen, um das Besondere im Banalen zu tun. Um dies entdecken zu können, bedient er sich des Mikroskops. Mit diesem Hilfsmittel aus Naturwissenschaft und Technik öffnen sich ihm erstaunliche Sichtfelder, denen er mit Zeichenstift, Feder und Grabstichel nachgeht.

Kombination, Komposition, Interpretation

Was schließlich auf dem Zeichenblatt manifest wird, sind nicht Abbilder oder genaue Wiedergaben des Beobachteten. Diese Form würde wohl eher einer wissenschaftlichen als einer künstlerischen Darstellung entsprechen. Indem er diese einfachen Gegenstände aus der in den Fokus genommenen Natur nicht nur abbildet, sondern in Kombination und Komposition zusammenfügt, verdichtet, und vervielfältigt, entstehen Zeichnungen, die weitab von jeder wissenschaftlichen Beschreibung liegen und dadurch Bild- und Denkwelten eröffnen, die dem Gewöhnlichen, Banalen Bedeutsamkeit verleihen und über den dargestellten Gegenstand hinausreichende Interpretationen ermöglichen. Die den Zeichnungen beigegebenen Titel verstärken dies noch. Hinter diesen zum Teil mit Ironie besetzten Titeln, wie etwa beim Blatt „Verkehrsopfer“, auf dem drei von einem Auto plattgewalzte Frösche zu sehen sind, steht auch eine kritische Haltung gegenüber einem oft rücksichtslosen Umgang mit der Natur. „Überfahrene Igel, Frösche und Kröten findet man im Frühjahr häufig auf unseren Straßen. Es scheint vielen Autofahrern jedoch egal zu sein, ob sie einen Igel oder Frosch erwischt haben. Die genauere Betrachtung des traurigen Ereignisses hat mich veranlasst, über diese Rücksichtslosigkeit nachzudenken. … Ranae ab hominibus necatae ...“ (Rainer Wolf)

Der Künstler als sensibler Vordenker

Im Begleittext von Mario Broggi findet sich diese kritische Haltung wieder. Er schreibt: „(Die Zeichnungen) verlangen die notwendige Muße, um die Dinge im Detail zu betrachten. In dieser Form von Kunst formuliert sich der Versuch des Verstehens der Natur. Er fordert auf, in vielzähligen Möglichkeiten und Dimensionen die Feinheiten zu sehen und zu verstehen. Mit diesen gewählten Möglichkeiten und Dimensionen versucht Rainer Wolf, künstlerisch – und nicht künstlich – Natur nachzuempfinden, mit Natur umzugehen. Die ökologische wie volksphilosophische Weisheit des 'Leben und leben lassen' sollte unser Handeln in der Landschaft stärker bestimmen. … Die Inspirationen des Künstlers Rainer Wolf als sensiblem Vordenker sollen uns Mahnung sein, uns für die Vielfalt in unserer Natur und Landschaft mehr als bisher einzusetzen.“

Dass es sich bei dieser Sammlung von Zeichnungen nicht um ein Biologie- oder Botanikbuch handelt, wird dem Betrachter schnell klar: Aus dem einen unter dem Mikroskop betrachteten Hirschkäfer werden auf dem Zeichenblatt zwei gegeneinander antretende Armeen, die Wolf „beetle battle“ nennt; aus einem Baumwollsamen wird ein Blütenarrangement; aus einem in seinen vielfältigen Facetten betrachteten und dann in feinem Strich gezeichneten Gallapfel wird ein Stillleben abstrakter Formen. Die Zusammenstellung dieser Natur im Fokus, die zum Teil herausgearbeiteten Vergrößerungen und Verdichtungen ergeben schließlich ein Bilderbuch, bei dem jede aufgeschlagene Seite aufs Neue überrascht.

Begleitet werden die Zeichnungen von zwei Texten, wobei sich der eine (A. Ruetz) mit den künstlerischen Absichten Rainer Wolfs auseinandersetzt und der andere (M. Broggi) Bezüge herstellt zwischen der Natur und dem Umgang mit ihr durch den Menschen. Rainer Wolf präsentiert hier ein besonderes Werkbuch, das durchzublättern Spaß macht, das aber auch anregt zum Nachdenken und Fantasieren.

 

Rainer Wolf, Natur im Fokus, Hardcover/Halbleinen mit 16 unterschiedlichen Titelmotiven und 6 Ausklappmotiven, 20x30 cm, 116 Seiten, Bucher Verlag Hohenems, ISBN 978-3-99018-134-8, € 30.-

Es erscheint auch eine vom Künstler signierte und auf 20 Exemplare limitierte Edition mit einer Druckgrafik, die direkt beim Künstler oder im Museum für Druckgrafik in Rankweil erhältlich ist.

Die Ausstellung der Originale im Museum für Druckgrafik in Rankweil ist noch bis 6.10.2012 zu sehen. Öffnungszeiten: Di/Do 18 - 20,  Sa 10 – 12 und nach Vereinbarung, Tel. (0043) 5522 41737