Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Kurt Bereuter · 10. Mai 2022 · Literatur

Jürgen Thaler präsentierte vergangenen Freitag in einem Vortrag neue Aspekte zu F. M. Felders Nachkommen. Eine Spurensuche

Als Felder – kurz nach seiner Frau – 1869 mit nicht einmal 30 Jahren verstarb, hinterließ er fünf Kinder, von denen das älteste gerade mal sechs Jahre alt war und das jüngste ein Jahr. Jürgen Thaler, der Leiter des Felder-Archives der Vorarlberger Landesbibliothek, spürte ihnen nach und beschreibt ihr Leben als Kinder des von den einen verehrten und von den anderen verhassten Literaten und Sozialreformers Franz Michael Felder, dessen Erbe sie sich immer wieder stellen mussten. Eigentlich bis heute, wenn man bedenkt, dass ein Urenkel Franz Michael Felders, nämlich Walter Fink, nach krisengebeutelten Vereinsjahren die Obmannschaft im Franz-Michael-Felder-Verein übernahm – oder vielleicht übernehmen musste, sollte der Verein nicht sterben.

„Und jetzt ist es aus – und mit mir auch“

Wer kennt es nicht, dieses Zitat Felders am Grab seiner geliebten Nanni. Ohne psychologisieren zu wollen, war das für mich immer ein schlimmes Zitat. Ging ich doch davon aus, dass der liebende Vater jetzt seine ganze Kraft aufwendet, um ein solcher seinen Kindern zu sein. Er starb tatsächlich ein gutes halbes Jahr später und hinterließ fünf Kinder und seine alte Mutter. Felders Schwager und Freund Kaspar Moosbrugger sah sich durchaus in einer Verantwortung für die Kinder seiner Schwester und „schickte“ Maria Anna Moosbrugger als „neue“ Frau, wie Thaler es ausdrückte, nach dem Tod seiner Schwester in die Familie und dort blieb sie auch nach dem Tod Felders bis zu ihrem frühen Ableben 1875, nachdem Felders Mutter bereits zwei Jahre davor starb, sowie auch der kleine Martin, der im selben Jahr mit fünf Jahren verstarb. In Armut musste die Familie nicht leben, gab es doch Einkünfte aus den Bucherlösen und Spenden an die Familie sowie die Pachterlöse für die landwirtschaftlichen Güter. Aber nach dem Tod der „Ersatzmutter“ (Thaler), wurde das Geld weniger und zum Vormund der Kinder war nach Felders Tod der Gemeindediener und Waldaufseher Franz Michael Moosbrugger, unverheiratet und mit seiner Schwester im Haushalt lebend, bestellt und so kamen die Kinder zu ihm auf die „Gräsalpe“.

Getrennte Wege

Jakob (1862-1924) und Hermann (1866-1958) bekamen über ihren Onkel Kaspar Moosbrugger die Chance ins Gymnasium in Feldkirch zu wechseln und lernten dort auch ihren Lehrer Hermann Sander kennen, der ihren Vater kannte und verehrte. Zu Felders 50. Geburtstag plante Sander eine Felder-Feier in Schoppernau, was noch von Bedeutung sein sollte, fiel diese doch mitten hinein in einen heftig geführten Kulturkampf dieser Epoche.
Kaspar (1863-1939) und Maria Katharina (1865-1937), Mikle genannt, blieben beim Vormund und Kaspar erlernte den Beruf des Schreiners. Mikle „schickte“ man in den 1870er Jahren in das Kloster Lenzfried, nahe Kempten, wo es ihr recht gut gefallen habe, aber mit der Oberin habe sie ihre Probleme gehabt. Deshalb hatten die studierenden Brüder die Idee, sie wieder nach Schoppernau zurückzuholen um sich im Elternhaus um den Haushalt ihres Bruders Kaspar zu kümmern. Der Schreiner Kaspar setzte dieses mittlerweile instand und 1889 heirateten Kaspar und Mikle in einer Doppelhochzeit. Mikle Felder musste aber zuvor schon, zu ihrer Enttäuschung, aus dem Elternhaus ausziehen und lebte in Bezau und Mellau in einfachen Unterkünften bis zu ihrer gemeinsamen Hochzeit. Sie heiratete Josef Willam, mit dem sie wieder nach Schoppernau zurückkehrte. 1896 kauften sie das „Stahl- und Kurbad Reuthe“, mussten es dann aber aus wirtschaftlichen Gründen an Kaspar Felder abtreten. Kaspar Felder wurde geachteter Schreinermeister, bekam vier Kinder und war auch in der Gemeindepolitik tätig. Kurarzt in Bad Reuthe war übrigens Bruder Hermann, der auch Gemeindearzt von Bezau wurde. Hermann Felder begann 1888 in Innsbruck das Studium der Medizin und wurde schon 1894 Gemeindearzt in Bezau.
Jakob studierte nach dem Gymnasium in Innsbruck zuerst Germanistik und Geschichte, wechselte nach einem Auslandsjahr in Leipzig zur Theologie und feierte 1889 seine Primiz, allerdings nicht in seiner Heimatgemeinde Schoppernau, denn da hatte sich gerade wieder ein Pfarrer, Josef Gschließer, bemüßigt gefühlt, die Felder-Feier 1889 – Felder wäre 50 Jahre alt geworden – in einer Predigt zu sabotieren: „Ein Mann ist aufgestanden, der in unverschämter Frechheit es wagte, seinen Seelsorger mit Wort und Schrift zu verhöhnen und sich als Richter über ihn aufzuwerfen. – Gott hat ihn abberufen aus diesem Leben, er hat ihm bei Gerichte ohne Zweifel die Frage gestellt, warum er sich so frech hinausgesetzt habe über die Warnung, ‚rühre mir meinen Gesalbten nicht an‘. – Allein sein Geist lebt fort in seinen Gesinnungsgenossen. […] Jenes Denkmal draußen auf dem Friedhofe, das eine das Gesetz verachtende Rotte gegen die geistliche Obrigkeit gesetzt hat, es überliefert den unseligen Namen des Mannes, der die Fackel des Aufruhrs gegen die Seelsorger in diese Gemeinde getragen hat.“ Das war dem anwesenden Sohn Kaspar dann doch zu viel und gemeinsam mit seinem Bruder Hermann, der Medizin studierte, verklagten sie erfolgreich wegen Ehrenbeleidigung den „Seelsorger“, der tatsächlich zu vier Wochen Arrest durch das Gericht Bezau verurteilt wurde, was aber dann nach einem Rekurs zu einer Geldstrafe abgemildert wurde. 1895 kam Jakob Felder nach Feldkirch an das staatliche Gymnasium und wurde zu einer öffentlichen Person als „katholischer Sohn“ des liberalen Felders. Als Jakob Felder 1924 starb, wurde er im Grab seiner Eltern beigesetzt.

Das Erbe der Schriften

Die Verwaltung der Schriften Felders ging dann auf Hermann Felder über. Als 1939 der NS-Landeshauptmann Anton Plankensteiner in einer Rede behauptete, dass Felders „Priestersohn“ Jakob Felder die Schriften seines Vaters verbrannt habe, bedrohte ihn Hermann Felder mit einer Klage und der Landeshauptmann zog seine Behauptung zurück. Die Schriften Felders sollten allerdings auch später – in der heutigen Generation Felders – noch einmal zu gerichtlichen Auseinandersetzungen führen und sind aber glücklicherweise im Felder-Archiv zur sicheren Verwahrung und Verwendung angelangt.  
Interessant wären sicher noch die Linien Felders Erben bis heute gewesen. Ging doch aus der Mikle-Linie der hochgeachtete Priester und Literat Franz Michael Willam hervor, oder stammen eben der neue Obmann und Kulturjournalist Walter Fink, Neos-Gründer Matthias Strolz oder der Musiker Gerrit Kinkel von Franz Michael Felder ab. Aber die Familiengeschichte geht weiter.