Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Fritz Jurmann · 25. Nov 2020 · Literatur

Hankes Erzählungen – Eine Fundgrube für Nostalgiker

Es ist ein ganz besonderes Büchlein, das da in den letzten Jahren in der Montfortstadt hinter dicken Mauern still und heimlich entstanden ist und nun das Licht der Öffentlichkeit erblickte. Es heißt „Jahre mit der Gitarre in Feldkirch“, Verfasser ist Mag. jur. Gottfried Hanke, in Musikerkreisen allgemein als „Friedl“ bekannt, der hier seine persönlichen Erinnerungen an die Zeit der Tanzkapellen im Feldkirch der 60er und 70er Jahre zu Papier gebracht hat. Und das ist wortwörtlich zu verstehen: Hanke schrieb mit enormem Fleiß jedes Wort des 275 Seiten umfassenden Werkes von Hand, so wie anno dazumal, als es zwar noch keinen PC, aber zumindest Schreibmaschinen gab.

Fast so außergewöhnlich wie die kuriose Entstehungsgeschichte dieses Buches mutet auch die Tatsache an, dass der Heimatpflege- und Museumsverein Feldkirch hier als Herausgeber fungiert – jene hochkulturell tätige Einrichtung also, bei der etwa zuletzt Manfred A. Getzners verdienstvolle mehrbändige Dokumentation über Vorarlberger Komponisten des 19. und 20. Jahrhunderts erschienen ist. „Wir beschreiten damit Neuland“, zeigt sich Obmann Getzner offen und will damit auch Musikgeschichtliches um Rock und Pop aus dem alten Feldkirch in einem erweiterten Kulturbegriff verstanden wissen.

Buch als Sammlungs-Katalog

Bei der reichhaltigen Illustration seines Buches griff Friedl Hanke, übrigens selber studierter Jurist, mehrfach auf originale Plattencover, Fotos oder Plakate zurück, die er nun – wie seine ganze Sammlung – dem Schattenburgmuseum Feldkirch nicht nur als Ausstellungsobjekte zur Verfügung stellte, sondern diese auch für die Zukunft dem Vereinsarchiv übereignete. So entstand praktisch, im Zusammenhang mit einem reichhaltigen Register im Anhang, auch ein nicht uninteressanter Sammlungs-Katalog.
Nicht ohne Stolz verweist Hanke, Jahrgang 1946, in der Einleitung auf seine Herkunft, die auf die gutbürgerliche Feldkircher Familie Riccabona zurückgeht, mit Opa Gottfried, einem begeisterten Wagnerianer, der mit Freunden die Hausmusik pflegte, und Mutter Dora, die gerne und gut sang. Dies eher zum Leidwesen von Friedls Onkel Max, der vor allem als begeisterter Tänzer die angloamerikanische Musik bevorzugte und als Autor später mit seinem unvollendet gebliebenen Roman „Dr. Halbgreyffer“ die Literaturwelt polarisierte.
Trotz dieses Vorfahren sind Hankes Erzählungen frei von jedem literarischen Anspruch. Es sind einfache Erinnerungen und Anekdoten eines der wohl letzten Zeitzeugen dieser Epoche, frei und ungeniert von der Leber weg formuliert und damit eine Fundgrube für Nostalgiker, die diese Zeit vielleicht noch selber miterlebt haben. Das plätschert so dahin, manchmal etwas zu detailverliebt und geschwätzig, stets aber unglaublich sympathisch und ehrlich, weil man heute noch seine Leidenschaft für die Sache spürt. So verzeiht man Friedl auch gerne, wenn er mehrfach von einem „sechsseitigen Banjo“ (S. 41) schreibt und dabei ein sechssaitiges meint, oder über „Spirituell‘s“ (S. 40) berichtet, wenn es um einfache amerikanische Spirituals geht.   

Wie alles begann

Doch all diese Einflüsse in seiner Familie prägten den jungen Musikbegeisterten. Angestachelt durch das Spiel eines gleichaltrigen Freundes auf einer diatonischen Knopforgel, begann Friedl die Gitarre zu erlernen. Über „Film und Funk“-Heftchen besorgte er sich die notwendigen Texte aus der damaligen Hitparade, die Melodien der aktuellen Schlager hatte er bald im Kopf, und so wagten die beiden als 14-Jährige um 1960 erstmals einen Auftritt in der Freundesrunde.
Als Schüler des Bundesgymnasiums Feldkirch wurde Friedl im Musikunterricht geprägt durch den heute legendären Prof. Hubert Marte, der ihm eine neue Welt öffnete und dem bis heute viele weitere Musiker auch der „ernsten“ Abteilung grundlegende Einsichten verdanken. Begegnungen mit dem Gitarristen und späteren Fotografen Sepp Dreissinger, dem Wälder Hermann Stadelmann (später „Stemmeisen und Zündschnur“) und dem jungen Liedermacher und heutigen Groß-Schriftsteller Michael Köhlmeier brachten weitere Impulse.

Gitarrenmusik

Der internationale Siegeszug der elektrisch verstärkten Gitarre im Zuge des aufkommenden Rock’n’Roll blieb auch für die lokale Ebene der Montfortstadt nicht ohne Folgen. Als Mitglied der „Teddy-Müller-Band“ kupferte sich Friedl einiges von den besten verfügbaren Vorbildern ab, den „Vier Roulettis“ als der damals führenden Tanzband im Land, bediente sich im Repertoire bei Bill Haley, Elvis Presley, den Shadows und Spotnicks und ab 1962 natürlich bei den „Stones“. Mit der ersten eigenen Band „The Thunderbirds“ erfolgte im Juni 1965 der eigentliche Startschuss, dann war er bei den „Wyomings“, den „Castellos“ und anderen Bands zu hören. Hanke vergisst in seinen Erinnerungen auch nicht den Blick über den eigenen Tellerrand auf die damalige Szene in Feldkirch und Umgebung mit ihren zahlreichen Tanzkapellen, die sich immer wieder neu formierten und bei den gefragtesten Anlässen zu hören waren, dem beliebten Jugendtanz in der alten Volkshalle oder den Pfadfinder-Redouten.
Man kann den 74-jährigen Friedl Hanke übrigens heute noch live singen hören – als Diakon bei Gottesdiensten im Feldkircher Dom.

Bezug: Heimatpflege- und Museumsverein Feldkirch, Burggasse 1, 6800 Feldkirch, Tel. 0 55 22 / 304 3510, verwaltung.museum@schattenburg.at, Preis: Euro 28.- (zuzüglich Verpackung/Porto)