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Annette Raschner · 24. Nov 2021 · Literatur

Freudige Überraschung: Sarah Rinderer bekommt Feldkircher Lyrikpreis

Mit Sarah Rinderer gewinnt zum ersten Mal eine aus Vorarlberg stammende Autorin den Feldkircher Lyrikpreis. Seit 2003 wird er international ausgeschrieben, damals erhielt der Bregenzerwälder Norbert Mayer den zweiten Preis, 2005 sowie 2010 wurde Udo Kawasser, 2008 Lina Hofstädter mit einem dritten Preis ausgezeichnet.

Bei der 27 Jahre alten, in Wien lebenden Künstlerin Sarah Rinderer, die ein Masterstudium an der Kunstuniversität Linz abgeschlossen hat und vor vier Jahren mit dem Vorarlberger Literaturpreis ausgezeichnet wurde, läuft es gerade ziemlich rund. Letztes Jahr wurde Sarah Rinderer im Rahmen des Kulturpreis Vorarlberg in der Kategorie Hörspiel ausgezeichnet, vor kurzem erhielt sie für ihren Text "ein Zimmer" den zweiten Preis beim FM4 Kurzgeschichtenwettbewerb "Wortlaut".  Die Wahl für den Gewinn des Feldkircher Lyrikpreises aus knapp 400, anonym eingereichten Einsendungen fiel einstimmig aus. Sarah Rinderer hatte fünf Gedichte aus einem Zyklus mit dem Titel "Sektorenfeuer" eingereicht, der im Zuge eines halbjährigen Islandaufenthaltes 2017 entstanden ist.

Sarah Rinderer: Ich habe damals sehr nahe der Halbinsel Seltjarnarnes gewohnt, wo sich der Grótta-Leuchtturm befindet und Touristinnen und Touristen gerne die Nordlichter beobachten. Ich war im dortigen Naturschutzgebiet ganz oft spazieren, um nachzudenken und Ideen zu sammeln.
Annette Raschner: Ihr Zyklus heißt "Sektorenfeuer". So werden Leuchtfeuer in der Seefahrt genannt, mittels denen Fahrwasser in verschiedenen Farben markiert werden. Der Zyklus gliedert sich nun in verschiedene Farbsektoren wie weiß, grün und rot. Was können Sie über den Entstehungsprozess erzählen?
Sarah Rinderer: Ich habe während meines Islandaufenthaltes tagebuchartige Notizen gemacht, die lange gelegen sind, bis ich beschlossen habe, damit zu arbeiten. Im Zuge dessen habe ich über den Grótta-Leuchtturm recherchiert, bin dabei auf das Sektorenfeuer gestoßen und fand es spannend, die Notizen nicht chronologisch aufzuarbeiten, sondern nach Stimmungen, nach Farben zu sortieren. Existenzielle Themen werden aufgegriffen, und es geht auch um die Suche nach Glück. Gleichzeitig habe ich mich auch mit alten Texten beschäftigt beziehungsweise mit der in Island sehr präsenten literarischen Tradition, zu der vor allem auch die Edda-Texte gehören.

Sarah Rinderer hat seit Jahren immer wieder auf ihr großes literarisches Talent aufmerksam gemacht. Ihre Arbeiten sind stets konzeptbasiert und verweisen auf ihr Studium der Bildenden Kunst und Experimentellen Gestaltung sowie der Angewandten Kultur- und Kunstwissenschaften in Linz. Die vierköpfige Jury des Feldkircher Lyrikpreises hat ausdrücklich die "unaufdringliche, reduzierte Sprache" und die "präzisen Momentaufnahmen" hervorgehoben, mit denen die Autorin die Grenzen zwischen Ich und Welt auslotet.

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(grün / 281° - 294°)

ein pastellfarbener fischcontainer
           der los-gelöst im wind
in die bucht hinaustreibt

statt der alten zeichen des heimathafens
auf der seite nur
die kontur eines kreises


Sarah Rinderer: Mein Gedichtzyklus ist eine persönliche Hommage an den Ort. In meinem Notizbuch habe ich festgehalten, was ich am Wegesrand mit allen Sinnen wahrgenommen habe.
Annette Raschner: Ihre Texte verweisen immer auch auf Ihre intensive Beschäftigung mit der Sprache an sich. Die Worte sind bewusst gesetzt, wie auch die Pausen, Leerstellen und Zwischenräume. Sie scheinen nichts dem Zufall zu überlassen. Ist dem so?
Sarah Rinderer: Ich würde es eher als eine verspielte Strenge bezeichnen. Ich mag es, mir bestimmte konzeptuelle Rahmen aufzuerlegen, um mir dann gleichzeitig doch noch genügend Wege offenzulassen, die das Projekt beim tatsächlichen Schreiben nehmen kann. Da kommen durchaus noch kleine Zufälle dazu!

Sarah Rinderer erhält den diesjährigen Feldkircher Lyrikpreis. Der zweite Preis geht an den Frankfurter Lyriker Martin Piekar, der dritte Preis ist – wie bereits im letzten Jahr – ein Publikumspreis; Der Publikumsliebling wird in Kürze bekanntgegeben.