Fouad Boussouf mit einer österreichischen Erstaufführung des Stückes „Fêu“ zu Gast beim „Bregenzer Frühling“ (Foto: Antoine Friboulet)
Raffaela Rudigier · 01. Jun 2016 · Literatur

Familiengeschichten, Fragmente und Fragen - „La Laguna“ - Ein autobiographisch inspirierter Roman von Erika Kronabitter

Eine zerbrochene Familie, ein ungeklärter Mordfall und der Versuch die Vergangenheit zu verstehen – darum kreist Erika Kronabitters neuer autobiographisch inspirierter Roman „La Laguna“. Die Vorarlberger Autorin setzt sich darin mit den Bruchstellen (und deren Folgen) einer Familie auseinander. Eine kleine Familienchronik, die in Wien beginnt, quer durch Österreich reicht und schließlich auf Teneriffa in gewisser Hinsicht endet.

Warte, es wird gut


Beppo und Hanna verlieben sich im Jahr 1958 in Wien ineinander. Bald wird Hanna, schwanger und erfährt, dass Beppo bereits verheiratet ist und ein Kind hat. Seit über einem Jahr lebt er getrennt von Frau und Kind, diese wollte sich erst unbedingt scheiden lassen, doch seit sie von der neuen Frau weiß, will sie genau das nicht mehr. Das Unglück nimmt seinen Lauf. Beppo entgleitet die Liebe seines Lebens: Hanna verlässt ihn, mit den inzwischen zwei Kindern (Elena und Mona), nachdem sie das gemeinsame Leben lange versucht hat. Beppos Mantra „Warte, es wird gut, es wird gut“ reicht Hanna nicht mehr aus. Geldnöte, die unmögliche Scheidung von Frau Nummer Eins und Alltagssorgen scheinen unüberwindbar. Hanna zieht die Reißleine und heiratet aus Vernunft (und auf eindringliches Anraten und Aufschwatzen ihrer Familie) einen Mann aus Vorarlberg. Die kleinen Mädchen sollen ihn „Vati“ nennen, müssen mit nach Tisis ziehen und vermissen ihren Papa und Wien. Während die Mutter viel putzt und oft traurig ist, jedoch behauptet mit Beppo völlig abgeschlossen zu haben.

Ein Mord und Ungereimtheiten


Jahre später wird Beppo in Teneriffa ermordet aufgefunden. Es gibt viele Ungereimtheiten, was seinen Tod betrifft: So werden verschiedene Sterbedaten vom zuständigen Ministerium verbreitet, es werden unterschiedliche Größen der Leiche angegeben und auch verschiedene Fundorte. Bevor es zur Aufklärung kommt, wird der Leichnam verbrannt und in einem Urnengrab auf Teneriffa beigesetzt. Erst elf Jahre nach dem Tod des Vaters wird sich seine Tochter Elena erstmals dorthin begeben.

Bruchstellen und Verzögerungen


Erika Kronabitter erzählt von Bruchstellen und Verzögerungen, von verpassten Möglichkeiten und Schuldgefühlen. Die inzwischen erwachsen gewordene Elena versucht all das rückblickend zu verstehen. In „La Laguna“ setzen sich verschiedene Zeitebenen und verschiedene Orte – lauter kleine Puzzleteilchen – zu einem größeren Bild zusammen. Diese erzählten Fragmente verschiedener Leben führen zu „Elena/Jetzt“ und ihren existentiellen Gedanken: „Es ist schwierig, sein Selbst zu finden. Manche finden es nie. Ich habe es mir zurechtgezimmert.“ „Was braucht ein Mensch, um Mensch zu sein? Was braucht ein Mensch, um in den Spiegel sehen zu können?“ „Wie weit trägt Liebe? Geliebt werden? Wer in den ersten zwei, drei Jahren des Lebens genug Liebe erlebt hat, kann manchen Verlust ertragen. Im Innersten trägt man die Kindheit das ganze Leben lang. Ein kleines Paket in der Brust. Manche haben dort ein Loch.“

Elliptischer Stil und offene Fragen


Dabei ist Kronabitters Stil oft elliptisch und stakkatoartig, wodurch die Gefühle der handelnden Personen verstärkt werden und der Roman ein schnelles Tempo annimmt. Gleichzeitig spielt die Autorin jedoch auch stets mit poetischen Sprachbildern, wenn sie etwa Hannas Zukunft bereits vorhersagt: „Irgendwann würde sie ihre Träume vergessen haben, die Wünsche vertrocknet im Brautstrauß.“

Das Buch ist dabei stets spannend, überrascht mit interessanten Themen und wirft viele Fragen auf: Was passiert, wenn man seine Lebensliebe verliert? Wie wirkt sich das eigene Leben auf nachkommende Generationen aus? Wie geht man mit unlösbaren Fragen, Leerstellen und Ängsten in Familien um? Wofür soll man sich entscheiden: Sicherheit oder Freiheit. Liebe oder Vernunft. Bequemlichkeit oder Leidenschaft. Und was kommt danach?

 

Lesung:
Erika Kronabitter: „La Laguna“
Jürgen-Thomas Ernst: „Vor hundert Jahren und einem Sommer“
Eva Schmidt: „Ein langes Jahr“
Fr, 10.6., 20.15 Uhr
Theater am Saumarkt, Feldkirch


Erika Kronabitter, La Laguna, Hardcover, 232 Seiten, € 19,90, ISBN 978-3-903091-00-9, Verlag Wortreich, 2016