Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Peter Niedermair · 25. Sep 2021 · Literatur

Eröffnung des „Maria Erika Lyrikwegs“

Am Sonntag, 26. September um 17 Uhr wird der „Maria Erika Lyrikweg“ im Bregenzerwald eröffnet. Er ist Teil eines Wald- und Wiesenpfades, der die Gemeinden Andelsbuch und Egg im Bregenzerwald verbindet. Er lädt zu einer Wanderung an einen Naturschauplatz ein, der von ausgewählten lyrischen Impulsen gesäumt ist. Von der Grenze zum Gemeindegebiet Egg/Junkerau weg führt der Pfad zuerst an der Bregenzer Ache entlang, dann steil bergauf und endet, wo ein Wiesenweg, etwa 15 Gehminuten von den ersten Häusern der Parzelle Meisten entfernt, auf die Andelsbucher Ebene führt. Entlang des 200 m langen Waldpfades liegen in Ton gebrannte Gedichte auf Bregenzerach-Bollen, und an ausgesuchten Stellen hängen auf Filz gedruckte Verse von Bäumen. Die hängenden „Blätter“ begleiten die Spaziergänger:innen jeweils ein Jahr lang; in Zukunft sind wechselnde Ausstellung geplant.

„Laubparkett“

Das Herz des Waldstückes ist ein kleiner von Bäumen umringter Platz an der Bregenzerache, ein Ort der Ruhe, des Lauschens und Staunens, „wo der Mittag seine Schwüle und der Donner seine Stimme verliert“. Das „Laubparkett“ wird bei Bedarf zur Bühne für kleine Lesungen und musikalische Darbietungen, zum Treffpunkt für Literatur- und Kulturinteressierte. Vor allem dient es aber als gemütlicher Rastplatz im Laub.

Der Ort – ein Geschenk

Auf die Frage, wie es zu diesem Ort, zum Waldpfad und zum Lyrikweg kam, erzählt Doris Franz gegenüber KULTUR: „Meine Eltern haben meinem Mann und mir das Stückchen Wald geschenkt. An der Stelle, die ich „Laubparkett“ nenne, stand der Werkzeugstadel, den mein Vater gebaut hatte. Meine Eltern verbrachten früher viel Zeit im Wald, sie machten Holz, räumten auf und erfreuten sich bei manchem Fest mit Familie und Freunden des schönen Platzes an der Ach. Zwei Hochwasser überschwemmten in den letzten Jahrzehnten den Platz um den Stadel dermaßen, dass durch die Sandmassen das Grundniveau etwa einen Meter höher wurde. Deshalb entschieden wir, den Stadel, dem das Wasser zugesetzt hatte, abzubrechen. Was blieb, war ein freies Stück Waldboden, umringt von Erlen, Buchen und Fichten, das immer schon eine besondere Ausstrahlung hatte und nun auf neue Art zum Mittelpunkt werden konnte.“
In zahlreichen Begegnungen mit Evelyn Brandt, der Literaturvermittlerin, die Doris Franz durch die von ihr geleiteten Kultur- und Literaturfahrten schon an viele Schauplätze und Wirkungsstätten großer Dichterinnen und Dichter geführt hatte, erzählte sie von ihrer Idee, an einigen Stellen im Wald liebgewonnene Gedichte zu platzieren – einerseits um sie selbst dort greifbar vorzufinden, und dann auch, um den lyrischen Text mit dem ein- oder anderen Fußgänger zu teilen. Evelyn Brandt bestärkte sie, diesen Überlegungen tatsächlich „nachzugehen“ und habe sie von Anfang an mit ihrem Know-how unterstützt und ermutigt. 

…. wo man unter freiem Himmel über die Felder zu den Bergen aufsehen kann …

In erster Linie möchte sie mit dem Lyrikweg zum Innehalten einladen, zum „Durchatmen“ – die Gedichte sollen, wie Doris Franz berichtet, zur Reflexion animieren. Hilde Domins „Bitte“ liegt beispielsweise an dem Ort, der von den erwähnten außergewöhnlichen Hochwassern überschwemmt wurde. Das Hölderlin-Zitat taucht an der Stelle auf, an der sich der Wald am Saum einer der wenigen noch erhaltenen Magerwiesen im Ort lichtet, wo man unter freiem Himmel über die Felder zu den Bergen aufsehen kann. Der erste Satz daraus erinnert am anderen Ende des Weges nochmals an dieses Gefühl der Weite und bestenfalls des Einsseins mit der Natur. Die Gedichte auf Filz, hauptsächlich mit Versen zeitgenössischer Dichterinnen und Dichter, fand Doris Franz  zum Großteil in ihrem Bücherregal bzw. entdeckte oder hörte sie zufällig.  

Kooperation mit anderen Künstlern

Die Zusammenarbeit mit Udo Rabensteiner entstand bei einem Gespräch über verschiedene Materialien. Dem Lustenauer Künstler gefiel die Idee, nach und nach wurde das Konzept erstellt und der Plan zur Umsetzung besprochen. Doris Franz  bemühte sich um Förderungen bei Gemeinden und beim Land Vorarlberg,  auch großzügige Sponsoren konnten gewonnen werden. Dem in Lustenau lebenden Keramikkünstler Mario Meusburger, ein gebürtiger Andelsbucher, verdankt das Projekt die Umsetzung der Texte in Ton. Es wurden Negativ-Platten der Texte angefertigt, mit denen Mario Meusburger die rohen Tontafeln bedruckte. In Andelsbuch wurden diese auf Ach-Bollen gelegt, die eigens am Weg platziert worden waren, und angetrocknet. Als die Tafeln die Form des jeweiligen Steines angenommen hatten, wurden die Tafeln von Mario Meusburger zu Steinzeug gebrannt und anschließend von Udo fix am Stein platziert. Die Schriften auf Filz wurden von Gunter Fetz und von David Mätzler im Druckwerk Lustenau im händischen Siebdruck-Verfahren erstellt.
Den Lyrikweg widmet Doris Franz ihrer Mutter, Maria Erika, die sie damit in ein poetisches Gedächtnis nimmt. Das Projekt soll dynamisch bleiben, am „Laubparkett“ will sie einen Sockel aus Sandstein setzen und Kunstschaffenden aus bildender Kunst und Literatur die Gelegenheit geben, sich aufeinander zu beziehen, um eine Synergie zwischen den Skulpturen und den hängenden Werken einzurichten. Dazu soll es auch Lesungen und Konzerte geben. Insgesamt soll dieser Lyrikweg Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen die Welt der Gedichte, der Literatur, vermehrt eröffnet werden und neben dem Rezitieren auch das Selber-Schreiben animieren. Zu den Autor:innen der auf dem Lyrikweg zu begegnenden Gedichten gehören vorerst Kurt Aebli, Rose Ausländer, Gottfried Benn, Hilde Domin, Vera Ferra-Mikura, Stefan George, Josef Guggenmos, Wolfgang Hermann, Hermann Hesse, Friedrich Hölderlin, Michael Krüger, Friederike Mayröcker, Leta Semadeni, Antonie Schneider, SAID, Karlheinz Pichler, Birgit Rietzler, Rainer Maria Rilke und andere. Der Basler Soziologe Lucius Burckhardt, der mit seiner Gattin Annemarie die Spaziergangswissenschaft entwickelte, hätte seine große Freude an diesem Bregenzerwälder Projekt. Ebenso wie viele Spaziergänger:innen. 

Zufahrt über Egg: Parken beim Fußballplatz oder Tennisplatz, Junkerau 972, 6863 Egg – von dort 2 Gehminuten, Start gegenüber vom Volleyballplatz