Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Annette Raschner · 02. Nov 2011 · Literatur

Daniela Egger: „Der Steward hätte die Tür nicht öffnen dürfen“

Ein abgestürztes Flugzeug von Gottfried Bechtold aus seiner „Mayday“-Serie mit Zeichnungen, die bis vor Kurzem in der Galerie.Z in Hard zu sehen waren, ziert das neue Buch mit Prosatexten der Vorarlberger Autorin Daniela Egger. Darin stürzt zwar kein Flugzeug ab, dafür aber muss ein unliebsamer Steward gleich mehrmals sterben. „Der Steward hätte die Tür nicht öffnen dürfen“ erscheint dieser Tage in Ulrich Gabriels Verlag unartproduktion.

Daniela Egger, Autorin, Texterin und Mitherausgeberin der Vorarlberger Literaturzeitschrift „miromente“, war einst fünf Jahre lang Flight Attendant auf einer DC-8, einem luxuriösen Privatflugzeug von Sheik Ahmed Zaki Yamani, dem Mitbegründer der OPEC und Minister für Öl und Mineralien in Saudi-Arabien. Die Passagiere stammten vorwiegend aus Saudi-Arabien und Afrika und wollten entweder in die USA oder nach Asien reisen; Darunter auch sehr prominente und ebenso schwierige Gäste, die mit ihrer Entourage verwöhnt werden wollten. Etwa Mobutu Sese Seko, bis 1997 Präsident der Demokratischen Republik Kongo in einer der längsten und korruptesten Diktaturen Afrikas.

Ironische Darstellung von Ungeheuerlichkeiten

„Da der Präsident niemandem vertraut, rührt er an Bord der DC-8 keinen Bissen an. Und da der Präsident nichts isst, halten sich auch seine Familie und die Menschen in seinem Gefolge zurück, man nimmt diskret ein paar Häppchen im hinteren Teil der Lounge zu sich, dort wo die Bodyguards und die Dienstmädchen sitzen. Der Geruch der warmen Speisen könnte ihn stören. Also ist die Küche nach der Landung noch immer voll unberührter Delikatessen, die von den feinsten Restaurants in Paris geliefert wurden. Sie müssen an Bord sein, weil es ihm eines Tages doch einfallen könnte, seine Flugangst und sein Misstrauen zu überwinden und nach einem viergängigen Menü zu verlangen.“

Mit Ironie und Nonchalance erzählt Daniela Egger von diversen Ungeheuerlichkeiten, die sie in ihrer Zeit als Flight Attendant erlebt hat: Von Flügen um die halbe Welt, um die richtige Marke französischen Mineralwassers für einen saudi-arabischen Prinzen zu besorgen, ohne, dass Passagiere an Bord gewesen wären; von einem nächtlichen Flug nach Nizza, um eine ganz bestimmte Sorte Eis für den verwöhnten, kleinen Prinzen zu beschaffen, damit dieser endlich schlafen kann; von Flügen mit Models, die den Prinzessinnen, die gerade nicht Muße hatten, in Europa shoppen zu gehen, deren Lieblingskollektionen zu Hause vorführten. Und so weiter.

 Vom Umgang mit „schwierigen Patienten“

„Während des Fluges spielten die lieben Kinder aus dem Hause Mobutu im Alter von vier bis zwölf unter anderem mit Dollarnoten. Sie fanden sich beim Aufräumen nach dem Flug in Ritzen und unter Kissen zerfetzt oder ganz – und in ausreichender Menge für eine ausgedehnte Shoppingtour.“ Ihre spannenden Jahre auf permanenter Durchreise, ihr Umgang als Europäerin mit den teils äußerst rigiden Vorschriften gegenüber Frauen und ihre Übung in nahezu buddhistischer Gelassenheit gegenüber „schwierigen Patienten“ handelt Daniela Egger teils in stark verknappten Prosa-Sequenzen ab. Mehr Raum gibt sie dem fiktiven, literarischen Spiel, einen unliebsamen Steward auf verschiedene Art und Weise um die Ecke zu bringen.

Sprachlich fein ausgearbeitete Erzählungen

In diesen Erzählungen verlässt die Autorin die Ich-Perspektive und schlüpft in die Figur der Flugbegleiterin Miriam, die zwar nie persönlich dafür sorgt, dass der Steward mit dem krankhaften Sauberkeitstick und einer stark ausgeprägten Vorliebe für ausländerfeindliche Witze ins Jenseits befördert wird, aber so ganz unbeteiligt ist sie dann doch wieder nicht. „Sie überlegt fieberhaft, was jetzt zu tun ist. Soll sie die Rettungsleute rufen? Soll sie weiter schwimmen und schweigen? Niemand weiß, dass es ihr Kollege ist, der den Tauchgang unternommen hat und der jetzt leblos unter ihr im Wasser treibt. Er gehört diesmal nicht zu ihrer Crew, also hat sie nichts damit zu tun.“ In „Der erste Mensch“, der letzten Erzählung des sprachlich fein ausgearbeiteten Prosabandes, treibt Daniela Egger ihr lustvolles, ständig mäanderndes Spiel zwischen Realität und Fiktion auf die Spitze. Die Ich-Erzählerin und ihr Alter Ego werden eins. „Ich muss einen Namen für sie finden. Ich werde sie Miriam nennen.“

 

Daniela Egger, Der Steward hätte die Tür nicht öffnen dürfen, unartproduktion, Dornbirn 2011, ISBN 978-3-901325-72-4

Buchpräsentation: Segelflug-Hangar, Flugplatz Hohenems, Do, 17.11.2011, 19 Uhr