Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Walter Gasperi · 13. Nov 2011 · Film

Whores´ Glory

Kommentarlos begleitet Michael Glawogger in seinem Dokumentarfilm Prostituierte und ihre Kunden in Thailand, Bangladesch und Mexiko und lässt sie über ihre Arbeit und ihre Sehnsüchte erzählen. So unterschiedlich die sozialen Verhältnisse, die Sprachen und die Religionen sein mögen – die Arbeit bleibt immer die gleiche.

Mit Splitscreen stellt Michael Glawogger die drei Schauplätze vor, erklärt damit auch den Untertitel „Ein Triptychon“. Als Subtext führt er in dieser Auftaktszene aber auch schon die unterschiedlichen Religionen ein, die sich auf das Gewerbe entscheidend auswirken. Beten die buddhistischen Prostituierten in Thailand nämlich vor Arbeitsbeginn jeweils um viele Freier, so sind die islamischen Mädchen in Bangladesch geächtet und die am Rande der Gesellschaft lebenden Sexarbeiterin im katholischen Mexiko beten zu einem heiligen Tod.

Nähe zu den Protagonisten

„Whores´ Glory“ kann man aber auch als Abschluss eines Triptychons in Glawoggers Werk sehen. Denn nach „Megacities“ (1998), in dem der Österreicher sich allgemein dem Leben der Unterschicht in Großstädten widmete, und der Schilderung körperlicher Schwerarbeit – und ihres Verschwindens – in „Workingman´s Death“ (2005) ist dies der dritte Film, in dem global heutige Arbeitswelten erkundet werden.
Wie gewohnt verzichtet Glawogger auf Kommentar, arbeitet nicht mit dramatisierenden Schnittfolgen, sondern vertraut auf die suggestiven Bilder von Wolfgang Thaler, deren Wirkung durch pulsierende Popmusik noch gesteigert werden soll, und auf die Erzählungen der Prostituierten und ihrer Kunden.
In der vierjährigen Arbeit am Film ist der Österreicher seinen Protagonisten sehr nahe gekommen, hat sich ein Vertrauensverhältnis entwickelt, das sie offen erzählen lässt. Der Eindruck von Voyeurismus kommt hier höchstens am Ende auf, wenn Glawogger eine mexikanische Prostituierte bei der Arbeit zeigt. Gleichzeitig wird in dieser Szene dem Geschäft auch jeder Anstrich von Erotik und Gefühl ausgetrieben, wenn die Dame ihren Job mit einer kühlen Professionalität ausführt, durch die das Verhältnis von Leistungen in einer bestimmten Zeit und entsprechender Bezahlung trocken auf den Punkt gebracht wird.

Hochglanzmilieu in Bangkok, Armut in Bangladesch, Rotlichtviertel in Mexiko

Ausnahme bleibt aber diese Szene, weder Sex noch nackte Frauen bekommt man davor zu sehen, vielmehr will Glawogger Einblick in die unterschiedlichen Milieus, Arbeitsbedingungen und soziale Stellung der Frauen bieten.
In Bangkok entführt er in eine von Neonlicht bestimmte Welt, in der gestylte junge Frauen in einem „Fish Tank“ gleich wie in der Fleischauslage eines Supermarkts oder auf einer Viehausstellung vom Chef des Etablissements den Kunden aus der Geschäftswelt angeboten werden. Ein starkes Bild hat Kameramann Wolfgang Thaler hier gefunden mit diesem hell erleuchteten Aquarium, vor dem durch eine Glasscheibe getrennt die Freier mit Anzug und Krawatte sitzen, die die Prostituierten nicht nach Namen, sondern nach Nummern auswählen.
Gegenpol zu diesem Hochglanzmilieu stellt das Leben in Faridpur in Bangladesch dar. Die Bezeichnung „Stadt der Freude“ kann man nur als bittere Ironie ansehen, denn eng und dunkel sind hier die Gänge, heruntergekommen die Zimmer, in denen teilweise auch Kinder, die von ihren Eltern verkauft wurden, die Wünsche von Friseuren oder Marktverkäufern erfüllen. Kühl werden neue Mädchen von der Leiterin des Bordells in ihren Job eingeführt und mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass sie zum Geld Verdienen da seien.
Trist sind auch die Verhältnisse im Rotlichtviertel „La Zona“ der mexikanischen Stadt Reynosa. Auf den Naturstraßen drehen junge Machos ihre Runden und reden ganz offen darüber, was sie mit den Damen machen wollen. Am Straßenrand vor den Türen der heruntergekommenen Häuser warten diese in entsprechend knapper Kleidung auf Kunden. Ganz anders als in Bangkok sind das aber keine gestylten Püppchen, sondern schon verbrauchte, sichtlich vom Leben und der Arbeit gezeichnete Frauen, die sich nur mit Alkohol und Drogen durchkämpfen können. Tricks, wie man Freier reinlegen kann, haben sie inzwischen freilich auch entwickelt, und erzählen offen davon.

Wechselndes soziales Umfeld, gleichbleibendes Tauschgeschäft

So ist „Whores´ Glory“ letztlich kein Film über Prostitution an sich, sondern vielmehr über unterschiedliche Lebenswelten in diesem Gewerbe und den unterschiedlichen Umgang von Kulturen damit. Jede Stellungnahme erspart sich Glawogger dabei, überlässt es dem Zuschauer sich selbst ein Urteil über das Gezeigte zu bilden.
Hintergründe und das soziale Umfeld werden ausgespart. Kaum einmal verlässt die Kamera den thailändischen „Fish Tank“, das Bordell in Bangladesch, nie öffnet sich in der mexikanischen Episode ein Blick über „La Zona“ hinaus.
Wie diese Welt von der Gesellschaft ausgegrenzt wird, so bleibt „Whores´ Glory“ konsequent in diesem Abseits, lässt auch niemanden außer die Sexarbeiterinnen, ihre Chefs und die Kunden zu Wort kommen. In dieser Fokussierung bietet Glawogger tiefe Einblicke und schafft mit der Parallelisierung der drei Schauplätze auch aufregende Reibungen. Konstante ist nur das Tauschgeschäft „Körper gegen Geld“.