Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Gunnar Landsgesell · 15. Sep 2016 · Film

Tschick

Schöner hätte man Wolfgang Herrndorfs Roman "Tschick" nicht verfilmen können. Höchstens anders. Eine Inszenierung von souveräner Beiläufigkeit, in der Fatih Akin zwei Jugendliche in den Maisfeldern der ostdeutschen Provinz stranden lässt.

Im Tennisclub, Maik mit seiner Mutter. Beim nächsten Turnier, da kann sie nicht teilnehmen, da fährt sie auf eine Beauty-Farm, richtet sie den Tenniskollegen am Nebentisch aus. Aber das haben Sie doch gar nicht notwendig, kommt es von dort zurück. Scherz, sagt sie, ich fahre auf Entzugskur.
Fatih Akin erweist sich in „Tschick“ als Meister der lockeren Inszenierung. Man muss sich diesen Film als Ausdruck größter Beiläufigkeit vorstellen. Die Szene im Tennisclub ist nur eine Marginalie von vielen, trotz der rhetorischen Pointe ohne eine solche ins Bild gesetzt. „Tschick“ hat einen Rhythmus, der der melancholisch bis heiteren Unbeschwertheit zweier Jugendlicher entspringt, und zugleich die Abgeklärtheit der Alten, ohne jemals sarkastisch zu werden. Schöner hätte man den Bestseller-Roman des mittlerweile unter tragischen Umständen verstorbenen Autors Wolfgang Herrndorf nicht verfilmen können. Nur anders. Als soziales Drama vielleicht, oder auch mit der peinlichen Coolness, die viele Filme, die im Jugendlichen-Milieu handeln, aufgesetzt bekommen.

Bis ins Herz

Maik (Tristan Göbel) ist ein wohlstandsverwahrloster 13-jähriger Schüler, ein schüchterner Außenseiter, ein bisschen verliebt in eine Klassenkollegin, wiewohl unerhört geblieben, neben den nun ein Neuzugang gesetzt wird. Ein verlotterter Junge mit dunklen Augen, Andrej Tschichatschow (Anand Batbileg), genannt Tschick, mathematisch begabt, immer mit der Schnapsflasche im Plastiksackerl, das die Schultasche ersetzt. Sachte finden die beiden einen Draht zueinander und schon sind sie unterwegs in einem himmelblauen, gestohlenen Lada auf einem Roadtrip in die Walachei, wo Tschick angeblich herkommt. Sie versanden irgendwo zwischen den Maisfeldern der ostdeutschen Provinz. Schon wenn man diese Zeilen liest, zeigt sich, welche Fallen dieser Stoff zu bieten hat. Gutmeinend, didaktisch, und natürlich sehr nett hätte dieser Film werden können. Akin umschifft diese Untiefen und lässt einen mit den zwei Burschen allein, denen man zuhören, zusehen und nach und nach, bis zum Schluss, ins Herz blicken kann. Ganz ohne Kommentare, mit einer wunderbaren Selbstverständlichkeit, in einer in jeder Hinsicht befreienden Atmosphäre. Im Song des Abspanns wird dann Dirk von Lowtzow (in Kollaboration mit den Beatsteaks) sehr konkret, er besingt Solidarität und spontane Rebellion.