Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Gunnar Landsgesell · 29. Nov 2019 · Film

The Lighthouse

Willem Dafoe und Robert Pattinson als eigentümliches Leuchtturmwächter-Duo, das sich zwischen Realität und Wahn in Richtung Abgrund bewegt. Ein in strengem Schwarzweiß gedrehtes Kammerspiel mit Horror-Appeal.

„The Lighthouse“ wirkt wie ein filmischer Solitär am Kinofirmament, gewaltig, andersartig aber zugleich auch merkbar bemüht, anders zu sein. In harten Schwarzweiß-Kontrasten im fast quadratischen 4:3 Format gedreht, paart Autor und Regisseur Robert Eggers nach seinem viel beachteten Filmdebüt „The Witch“ (Horror und Naturalismus) nun Horror und Expressionismus. So manche Wand ragt hier schräg ins Bild, die See revoltiert in schmutzigem Grau unablässig gegen die kleine Insel, deren zwei Bewohner wie Motten rund um einen Leuchtturm schwirren. Es ist eine höchst eigentümliche Szenerie, die Eggers präsentiert: Zwei Männer, schicksalshaft aneinander gekettet, als Brecht’sche Paraphrase: Willem Dafoe als launenhafter Kapitän Thomas Wake in der Rolle des Herrn, und Robert Pattinson als gepeinigter Lohnbursche Ephraim Winslow in der Rolle des Knechts. Was diese zwei höchst ungleichen Gestalten hier am Ende der Welt treiben, ist dabei weniger wichtig als die Stimmung, auf die Eggers in seiner psychologischen Versuchsanordnung hinarbeitet. Als Zuseher arbeitet man sich vom spöttischen Humor Wakes, über dessen derbe Scherze und Übergriffe auf Winslow, bis zum blanken Horror und schließlich dem Wahnsinn vor, der diese Figuren am Ende packt. Dabei bedient sich „The Lighthouse“ der dichten Atmosphäre des Kammerspiels ebenso wie der offenen Form der Groteske. Dafoe (der seine ganze Erfahrung als Theaterschauspieler einbringt) wirkt, als hätte er hier die Rolle seines Lebens gefunden, während Pattison die erlittenen Demütigung äußerlich still, aber mit wachsender Unruhe erduldet. Mit ihren konzentrierten Darbietungen verleihen die beiden Schauspieler dem Film eine urkomische Ernsthaftigkeit zwischen Shakespeare und Seemannsgarn.

 Von Nebelhörnern und Wahnsinn

„The Lighthouse“ ist aber auch bis ins letzte Detail durchkomponiert: Die Kamera scheint jede Bewegung ihrer Akteure zu antizipieren, jede Ecke ist perfekt schummrig ausgeleuchtet, die Nebelhörner des Leuchtturms sorgen mit ihren tiefen, wummernden Frequenzen für permanentes Unwohlsein, und auch sonst fehlt es an nichts, um alte Sicherheiten zu Fall zu bringen: als Winslow die Figur einer Meerjungfrau aus dem Futter seiner Matratze zieht, stellen sich erste halluzinatorische Zustände ein. Eggers schürt die Gerüchte, die auch für das Publikum falsche Spuren legen: Hatte Winslow auf dieser Insel einen Vorgänger, der grausam endete? Und wie ist das mit den Möwen, die man nicht töten sollte, weil sie die Geister verstorbener Matrosen sind? Und existiert das Schiff, das Winslow nach vier Wochen wieder von der Insel abholen soll, wirklich? Als wäre sein Werk vollbracht, überlässt Eggers seine beiden Protagonisten am Ende dieser Insel: wie zwei Ringer, die sich nicht mehr aus ihrer tödlichen Umklammerung lösen können. Das hat zwar so kommen müssen, aber der Weg dorthin war dennoch sehenswert.