„Kaffee und Zucker?“ Dokumentartheater im TAK in Liechtenstein © Pablo Hassmann
Gunnar Landsgesell · 15. Okt 2021 · Film

The Last Duel

Matt Damon und Adam Driver als zwei Ritter im Frankreich des 14. Jahrhunderts, die in harter Rivalität zueinander stehen. Als der eine die Ehefrau des anderen vergewaltigt, kommt es zum Duell, das als Gottesurteil verstanden wird. Das Besondere an diesem virtuos inszenierten Mittelalterstück von Ridley Scott ist dessen Frauenfigur (Jodie Comer): Ihr Handeln wird zum glasklaren Kommentar unserer Zeit und erschüttert männliche Wahrnehmungen.

Ein schwarzer Hengst reißt sich los und besamt eine wertvolle Stute, mit der Jean de Carrouges (Matt Damon) allerdings eigene Pläne hat. Es ist eine Szene, in der sich die Gewalt widerspiegelt, von der „The Last Duel“ erzählt. Im 14. Jahrhundert geraten in der Normandie zwei Männer aneinander, zwei Ritter, die dem König treu ergeben sind und um die gleiche Frau buhlen. Carrouges, ein dem König treu ergebener Ritter, den Damon mit wettergegerbter, vernarbter Gesichtsmaske und versteinerter Männlichkeit verkörpert, hat Marguerite (Jodie Comer) geheiratet. Allerdings nicht aus Liebe, sondern um an ein wertvolles Stück Land zu kommen. Die Frau, ein Faustpfand seiner Ambitionen, und das Land: Beides wähnt er nun als seinen „Besitz“. Carrouges' Widersacher Jacques Le Gris (Adam Driver), ein Mann, der seine Kämpfe weniger mit Lanze und Beil als mit der List ausführt, stellt insgeheim ebenfalls Ansprüche an Marguerite. Sein strategischer Vorteil: Er hat sich mit dem hiesigen Lord Pierre (erblondet und gelangweilt: Ben Affleck) längst auf eine Art Machtteilung geeinigt. Während der Abwesenheit von Carrouges schleicht sich Le Gris in dessen Haus und vergewaltigt Marguerite. Weil diese das Schweigen gegen alle Konventionen bricht, Le Gris aber die Tat abstreitet, wird die Kirche und sogar der König in ein Verfahren eingeschaltet. Ein finales Duell mit Lanze und Pferd soll entscheiden, auf wessen Seite Gott steht. Ridley Scott eröffnet und beendet seinen Film mit diesem waffenklirrenden, martialischen Kampf, bei dem es nicht nur um männliche Ehre und den göttlichen Wahrheitsbeweis, sondern auch um das Schicksal der Frau geht. Verliert Carrouges, wird Marguerite lebendig verbrannt.

Gender-Lehrstück als mittelalterliche Attrappe

„The Last Duel“ ist ein bildgewaltiger, scheinbar roher Film, in dem kettengepanzerte männliche Leiber aufeinander krachen. Doch mit zunehmender Dauer wird die diskursive Kraft dieser Erzählung sichtbar. Der Film ist in drei Teile gegliedert, jeder Teil rollt die Ereignisse erneut auf. Zuerst aus der Sicht der beiden Antagonisten, dann aus der Perspektive von Marguerite. Erstaunlich ist, wie es Ridley Scott gelingt, seine Inszenierung wie bei einem Mosaik unmerklich um jene Steine zu erweitern, die am Ende eine Wahrheit, und damit ein ganz neues Bild ergeben. Und zwar das aus der Sicht der Frau. Fühlt sich der Film zu Beginn wie ein mächtiges, bravourös entworfenes Schlachtenbild (Kamera: Dariusz Wolski) samt Hofintrigen an, gewinnt man zunehmend den Eindruck, es handle sich bei dieser Geschichte gar nicht um ein ritterliches Epos, sondern vielmehr um eine ungemein zeitgemäße, bittere Lektion über männliche und vor allem sexualisierte Gewalt, in der die Frau den Preis dafür bezahlen muss. So wirkt „The Last Duel“ wie eine mittelalterliche Attrappe für einen Kommentar, bei dem Männer nur zufällig in Kettenhemden Fleisch vom Spieß verschlingen, während sie Frauen als Jagdtrophäen oder untertänige Ehefrauen verstehen. Das Drehbuch, von Matt Damon, Ben Affleck und Nicole Holofcener (sie schrieb den dritten Teil) lässt mit seiner expliziten, keinesfalls mittelalterlichen Sprache über Vergewaltigung und die altbekannte Frage, ob die Ehefrau den Täter etwa provoziert oder verführt habe, keinen Zweifel offen, dass die zentrale Figur ihrer Handlung kein Ritter, sondern Marguerite ist. Mit der dritten Episode, erzählt aus ihrer Position, wird auch die Wahrnehmung des Zusehers erschüttert. Männliche Perspektiven eignen sich als erzählerische Instanz plötzlich kaum mehr, wenn man die Vergewaltigung nun noch einmal erlebt. In Hinblick auf den mittlerweile 83-jährigen Ridley Scott, der mit „Alien“ oder „Thelma & Louise“ schon mehrfach Frauenfiguren ins Zentrum gestellt hat, darf "The Last Duel" als dessen überzeugendster Film seit zwei Jahrzehnten betrachtet werden.