„Kaffee und Zucker?“ Dokumentartheater im TAK in Liechtenstein © Pablo Hassmann
Walter Gasperi · 21. Okt 2021 · Film

Aktuell in den Filmclubs (22.10. - 28.10. 2021)

Am Spielboden Dornbirn gibt es diesen Samstag mit "Tsatsiki - Tintenfische und erste Küsse" wieder einen Kinderfilm abseits des US-Mainstreams. Und ebenfalls am Spielboden Dornbirn läuft mit "Aufzeichnungen aus der Unterwelt" nochmals Tizza Covis und Rainer Frimmels liebevoller Dokumentarfilm über das Wiener Ganovenmilieu der 1960er Jahre.

Tsatsiki – Tintenfische und erste Küsse: Eigentlich heißt der aufgeweckte achtjährige schwedische Junge Tobias, doch zur Erinnerung an den ihm unbekannten griechischen Vater nennt er sich lieber Tsatsiki. Seine Sehnsucht nach dem Papa ist groß, und allzu gerne möchte er ihn in Griechenland besuchen und mit ihm Tintenfische fangen.
Aber auch von Tsatsikis anderen Wünschen erzählt Ella Lemhagen in ihrem warmherzigen und unspektakulären Kinderfilm. So bereitet eine reizende gleichaltrige Blondine dem Volksschüler Kopfzerbrechen und, als er zu ihrer Geburtstagsparty eingeladen wird, müssen intensive Vorbereitungen vom Kauf eines Anzugs bis zum Styling getroffen werden.
Andererseits gibt es aber auch die in einer Rockband spielende Mutter. Mit ihrem Freund, dem recht groben Bassisten der Band, ist Tsatsiki gar nicht zufrieden. Viel besser gefiele es ihm, wenn sich die Mama in den verständnisvollen und immer hilfsbereiten Polizisten Yöran verliebte. - Aber es klappt eben nicht immer alles auf Anhieb.
Etwas zu voll gepackt mit Themen ist "Tsatsiki" zwar, und das glückliche Ende aller Erzählfäden entspricht nicht unbedingt der Realität, doch die liebevolle und genaue Zeichnung der Personen und des alltäglichen Lebens verleiht diesem Film einen Charme, dem nicht nur Kinder erliegen dürften.
Spielboden Dornbirn: Sa 23.10., 15.00 Uhr

Aufzeichnungen aus der Unterwelt: Seit Beginn ihrer Karriere fokussieren Tizza Covi und Rainer Frimmel auf randständige Milieus. In ihrem Dokumentarfilm "Babooska" (2005) porträtierten sie einen Wanderzirkus, auch ihr erster Spielfilm "La Pivellina" (2009) spielte im Milieu eines Kleinzirkus und ein Schausteller stand im Mittelpunkt von "Mister Universo" (2016). Waren die Geschichten fiktiv, so verlieh ihnen die Inszenierung immer einen stark dokumentarischen Anstrich.
In "Aufzeichnungen aus der Unterwelt" überlassen sie nun völlig ihren Protagonisten den filmischen Raum. In langen halbnahen statischen Einstellungen lassen sie in diesem auf 16-mm gedrehten Schwarzweißfilm den legendären Wienerlied-Sänger Kurt Girk und Alois Schmutzer über ihre Wahrnehmung der Wiener Ganovenwelt der 1960er Jahre erzählen und bieten dabei auch Einblick in einen Justizskandal, denn zu Unrecht wurden Girk und Schmutzer verurteilt, und in unglaubliche Zustände in den Gefängnissen.
Ganz von den beiden großartigen Erzählern, die nur selten von Frimmel aus dem Off mit einer Nachfrage zur detaillierten Darstellung bestimmter Ereignisse aufgefordert werden, lebt der Film. In jeder Szene spürt man das Vertrauen, das zwischen den Filmemacher*innen und den Protagonisten besteht, und der empathische Blick sorgt dafür, dass einem diese rasch ans Herz wachsen.
Doch nicht nur ein Porträt von Girk und Schmutzer wird hier gezeichnet und diese am Rand der Gesellschaft stehenden Männer ins Zentrum gerückt, sondern auch mittels klassischer Oral History aus einer der medialen Berichterstattung entgegengesetzten Perspektive ein Milieu und eine Zeit geschildert und vor dem Vergessen bewahrt.
Spielboden Dornbirn: Sa 23.10., 19.30 Uhr

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