Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Walter Gasperi · 28. Okt 2021 · Film

Aktuell in den Filmclubs (29.10. - 4.11. 2021)

Unter anderem zwei Dokumentarfilme gibt es diese Woche in den Filmclubs: Das Filmforum Bregenz bietet mit "The Bubble" einen Einblick in eine Rentnersiedlung in Florida, bei der sich hinter dem ersten paradiesischen Eindruck bald Abgründe auftun. Am Spielboden Dornbirn kann man dagegen mit Arthur Summereders "Motorcity" in die Drag-Racing-Szene von Detroit eintauchen.

Motorcity: Arthur Summereder taucht in seinem Dokumentarfilm in die Drag-Racing-Szene von Detroit ein. Man kann den Gummi und das Benzin regelrecht riechen, wenn bei den Starts zu den gerade mal eine Viertelmeile langen Rennen die Motoren heulen und die Luft von Gummiabrieb und Auspuffgasen von Qualm erfüllt ist. Summereder begleitet John Quick, Lil Carter oder Karri Anne Beebe zu Rennen oder bei der eigenhändigen Reparatur ihrer hochgetunten Wagen und lässt sie von ihrer Leidenschaft erzählen.
Ausgehend von John Gasts 1872/73 entstandenem berühmten Gemälde "Fortschritt Amerikas" sieht Summereder im Beschleunigen bei den Drag-Races und im geraden Vorwärtsdrang aber auch eine typisch amerikanische Haltung, bei der es immer nach vorne und um Geschwindigkeit geht. Die Drag-Race-Szene verknüpft der Oberösterreicher dabei auch mit der Geschichte Detroits, das einst Motorhauptstadt der Welt war, nach dem Niedergang der Automobilindustrie aber 2013 Bankrott anmelden musste, und dessen Einwohnerzahl von zwei Millionen auf 600.000 sank.
"Motorcity" ist spürbar der Film eines Fans, der Zugang zu einem Milieu gefunden hat, das sich – zudem noch ausländischen – Außenstehenden gegenüber sonst sehr reserviert verhält. Doch Summereder konnte sichtlich das Eis brechen und so ein Naheverhältnis aufbauen, das ihm ermöglicht vielschichtige Einblicke in die Szene zu bieten.
Spielboden Dornbirn: Fr 29.10., 19.30 Uhr

The Bubble: Mit 150.000 Bewohner*innen ist das in Florida gelegene "The Villages" die größte Rentnersiedlung der Welt. Wie ein Paradies wirkt die schnell wachsende Anlage mit ihren 54 Golfplätzen, 96 Swimming-Pools und rund 3000 Freizeitaktivitäten von Bauchtanz bis Synchronschwimmen auf den ersten Blick. Auch die Bewohner*innen sprechen euphorisch über dieses Leben, entfliehen sie mit der Übersiedlung in den Sunshine State doch bei Pensionsantritt dem kalten Norden. Nie fühle man sich hier alt, seien doch alle Mitbewohner*innen in etwa gleich alt und niemand jünger als 55.
Kippt schon mit dieser Feststellung sowie mit Drohnenaufnahmen der endlosen uniformen Reihenhäuser das Bild der Idylle in die Dystopie einer völlig künstlichen Welt, so deckt Valerie Blankenbyl in ihrem Dokumentarfilm in der Folge Schritt für Schritt weitere negative Aspekte dieser Gated Community auf. Führt hier nämlich eine vermögende weiße Oberschicht ein Luxusleben, so weitet sich das Bild mit dem Blick aufs Umland auf eine vielfach in Wohnwagensiedlungen lebende Unterschicht. Doch nicht nur am Existenzminimum leben diese Menschen, sondern deren Lebensraum wird zudem durch die sich ausbreitende Seniorensiedlung und deren enormen Wasserverbrauch zunehmend eingeschränkt. So spiegelt "The Bubble" auch die gesellschaftliche Spaltung der USA und übt im Blick auf die Rentnersiedlung auch Kritik am Kapitalismus, in dem es ständig um Expansion geht und die Schwachen verdrängt werden.
Filmforum Bregenz im Metrokino Bregenz: Mi 3.11., 20 Uhr


Weitere Filmkritiken, Streamingtipps, DVD-Besprechungen und Regisseur-Porträts finden Sie auf meiner Website https://www.film-netz.com.