Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Gunnar Landsgesell · 28. Okt 2021 · Film

Klammer - Chasing the Line

Kein Biopic, sondern ein Blick auf die letzten Tage vor der Olympiade 1976 in Innsbruck, durch die Franz Klammer bis heute zur Ikone einer Ski-Nation wurde. Ein Zeit-Porträt, scheinbar aus einer Emotion heraus erzählt.

Überdimensional prangen die Olympischen Ringe an der gläsernen Fassade der Sporthalle in Innsbruck. Darunter, schattenhaft, eine verlorene Gestalt, die nach draußen blickt, Franz Klammer. Wer von einem Nationalhelden erzählen will, muss ihn zuerst auf Menschengröße schrumpfen, um den Triumpf am Ende umso wirksamer ins Bild zu setzen. Regisseur Andreas Schmied hat die schwierige Aufgabe übernommen, von einem Idol zu erzählen, das wenig Angriffsfläche bietet, wo fast die Rede vom sympathischen, einfachen Menschen schon wieder klischeehaft überhöht erscheint. Auch wenn Franz Klammer, erfolgreichster Abfahrer aller Zeiten, heute den Jungen nicht mehr ganz so geläufig sein mag, neben Niki Lauda (Nürburgring!) oder Hans Krankl (Cordoba!) gibt es in der Alpenrepublik nicht viele, bei denen ein nationaler Schulterschluss gewiss ist. Nun also Innsbruck. Regisseur Andreas Schmied wollte seinem Publikum zwar keine Biographie vorlegen, eine Huldigung ist es (natürlich) dennoch geworden. „Klammer“ erzählt von den letzten Tagen vor Olympia 1976 und wählt dafür die Form eines emotional verdichteten Stimmungsbildes, das die treibenden Kräfte und Figuren rund um Klammers Karriere zusammenführt. Nicht jeder Handlungsstrang überzeugt. Die Teamkollegen von Klammer (er wird vom 25-jährigen Kärntner Nachwuchsschauspieler Julian Waldner gespielt) erlebt man als verblödelte Burschengruppe, die der Herrentrainer „Charly“ Kahr regelmäßig zusammenscheißen muss, weil die richtige Einstellung fehlt. Immerhin geht daraus hervor, dass Werner „Grizzly“ Grissmann (Noah Perktold) damals Klammers bester Freund war. Nicht weniger unangenehm als Kahr tritt der feiste Chef von Fischer-Ski (Robert Reinagl) auf, der Klammer kurz vor dem Wettkampf den neu entwickelten Lochski aufs Aug drücken will. In einer nächtlichen Szene raunen er und seine Kollegin sich zu, relevant sei allein, welcher Ski am Podest stehe und nicht welcher Läufer. Der arme Klammer, ohnehin schon vom Druck der Kronen-Zeitung und der Nation entnervt, muss noch vor dem Rennen gegen seinen größten Konkurrenten, den Schweizer Bernhard Russi (Raphael Tschudi), gegen seinen eigenen Ski-Ausstatter antreten.

Sportler-Porträt in Action-Modus

Während Andreas Schmied das Duell zwischen Russi und Klammer vor allem in einigen witzig überhöhten Szenen mit Popstar-Ästhetik und unterlegten Siebziger-Rocknummern einfängt, hat man das Gefühl, beim rüden Kräftemessen von Fischer und Klammer doch einen Blick hinter die Kulissen zu machen. Dass „Klammer“ Einblicke in die Person Franz Klammer bieten würde, die sich vom freundlich-bescheidenen Image der öffentlichen Figur unterscheiden, ist jedenfalls nicht Teil des Projekts. Das Ski-Idol Klammer scheint mit dem privaten Franz vollkommen übereinzustimmen. So ist der Film überhaupt ziemlich auf seinen Protagonisten zugeschnitten, das kann auch Klammers damalige Freundin Eva (Valerie Huber) nicht verhindern. In kurzen Telefonaten wird eine an sich interessante Beziehung zwischen einem geradlinigen Bergbauernbuben und einer selbstbewussten Medizinstudentin skizziert, die letztlich aber etwas unterbelichtet wirkt. Immerhin sind beide auch heute noch verheiratet. Vor holprig nachgestellten Wettkampfszenen, wie Sportfilme den Zuseher öfters langweilen, verschont einen „Klammer“ jedenfalls. Andreas Schmied versteht vielmehr seinen Film selbst als Wettlauf gegen die Zeit. In einer an den Thriller angelehnten Dramaturgie geht es für den Protagonisten vor allem darum, doch noch in die Spur zu finden, während die Tage bis zur alles entscheidenden Abfahrt ohne Erfolgserlebnis verrinnen. Dieser Fokus auf eine „Action-Montage“ drängt den Blick auf die Hintergründe dieser zeithistorischen Sportgeschichte scheinbar zurück. Wiewohl das Kolorit der Siebziger Jahre zwischen schmuckloser Olympioniken-Behausung und glänzend goldenen Abfahrtstrikots durchaus einen Eindruck hinterlässt.