Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Silvia Thurner · 30. Okt 2021 · Musik

Die Gemeinschaft des Orchesterspiels voll ausgekostet – tosender Applaus für das Pforte-Kammerorchester

Die vielseitig kuratierten Kammermusikkonzerte von „Musik in der Pforte“ werden alljährlich einmal zu einem Pforte-Orchesters erweitert. Klaus Christa versammelte Studierende aus drei lateinamerikanischen Streicherprojekten sowie dem Mangaung String Programm aus Südafrika im Festsaal des Landeskonservatoriums. Allen gemeinsam ist die Unterstützung junger Musiker:innen, die aus wenig privilegierten Familien stammen. Am Konzertmeisterpunkt leitete die aus Lettland stammende Violinistin Vineta Sareika die höchst motivierten Mitwirkenden. In einem mitreißenden Zusammenwirken gestaltete das Orchester Mozarts Sinfonia concertante (KV 364) mit der Konzertmeisterin und Klaus Christa als Solisten sowie die Sinfonie Nr. 39 (KV 543). Im Mittelpunkt stand das mitteilsame Werk „Thrown back on blind spots“ der steirischen Pianistin und Komponistin Viola Hammer.

Das Prinzip des Pforte-Kammerorchesters ist vielversprechend und riskant zugleich, denn hier musizieren alle gemeinsam in einem kammermusikalischen Geist, mit viel Eigenverantwortung und ohne Dirigenten. Umso bedeutender ist die Funktion des Konzertmeisters, bei dem die Fäden zusammengeführt werden. Die Zusammenarbeit mit Thomas Reif hat sich im vergangenen Jahr bewährt und eigentlich sollte er wieder die jungen Musizierenden leiten. Doch leider ist er kurzfristig erkrankt und Klaus Christa musste alle Hebel in Bewegung setzen, um unter großem Zeitdruck einen Ersatz finden. Dies ist mit Vineta Sareika mehr als gelungen. Die Musikerin ist unter anderem als Primgeigerin des Artemis-Quartetts weithin bekannt. Spielt mit einer bewundernswerten Bühnenpräsenz und Körpersprache und führte damit die Orchestermusiker:innen zu Höchstleistungen.
Christine Rhomberg von der Hilti-Foundation war Impulsgeberin für das großartige Gemeinschaftsorchesterprojekt, und Musik in der Pforte rund um Klaus Christa bot einen hervorragenden Rahmen dafür. Bei der „Iberacademy“ kommen Musikerinnen und Musiker aus Bolivien, Chile und Peru zusammen. Die Organisation wurde 2015 mit der Intention gegründet, die musikalische Ausbildung in Lateinamerika zu fördern und zu stärken, um eine „Gesellschaft der besseren Chancen“ zu unterstützen. Dass hier besondere musikalische Begegnungen auf Augenhöhe und auf bewundernswert hohem Niveau stattfinden, erlebten die Zuhörenden beim fünften Pforte-Abonnementkonzert sehr unmittelbar.

Funken sprühende Werkdeutungen

Zuerst erklang die Sinfonia concertante für Violine, Viola (KV 364) in Es-Dur mit Vineta Sareika an der Violine und Klaus Christa an der Bratsche. In seiner Einführung machte Klaus Christa auf die leeren Saiten aufmerksam, die in Es-Dur bei Streichinstrumenten im Terzabstand schwingen, und verwies auf die besonderen Klangqualitäten genau dieser Tonart. Damit gab er eine Hörrichtung vor, die spitze Ohren machte und feinsinnige Klangerlebnisse ermöglichte.
In großem Einverständnis musizierten die Solistin und der Solist miteinander, gestalteten die Vorder- und Nachsätze der Hauptthemen mit viel rhetorischem Geist und zogen die Zuhörenden damit in ihren Bann. Kraftvoll und selbstbewusst agierten die Orchestermusiker:innen. Dass sie genau wussten, wo sie hinhören müssen, um sich gegenseitig Raum zu geben und miteinander in einen musikalischen Kontakt zu treten, verströmte eine große Sogwirkung. Einen Ruhepol bot das feinsinnige Andante, das Vineta Sareika und Klaus Christa als Lamento entfalteten. Im tänzerischen Finale ließen alle gemeinsam die Funken sprühen.
Ebenso bemerkenswert interpretierte das Pforte-Kammerorchester die Sinfonie Nr. 39 (KV 543), ebenfalls in Es-Dur. Exakte Phrasierungen und straffe Artikulationen verliehen den Themen eine Energie freisetzende Spannkraft. Schwungvoll artikulierte Tonrepetitionen unterstrichen den Elan, lediglich die Schlusspassage des Eröffnungssatzes wirkte dann doch etwas zu lärmend. Mit einer aufmerksamen Korrespondenz zwischen den Stimmgruppen wurde das Andante con moto ausgestaltet und fröhlich spielten die Musiker:innen das Menuett, mit einem schönen Klarinettensolo im Trio. Mit atemberaubendem Tempo erklangen sodann die wirbelnden Motive im Finale.

Erzählende Musik

Viola Hammer ist als Jazzmusikerin, Improvisatorin und Pianistin erfolgreich. Mit ihrem Werk „Thrown back on blind spots“ für Klavier und Orchester war sie erstmals im Rahmen der Pforte zu Gast. Darin setzte die Künstlerin einen Entwicklungsprozess in Musik, von einer (vorerst) angenehmen Ruhe ausgehend, hin zu einem aufgewühlten Unruhezustand. Auf rhythmischen Patterns der Streicher entwickelte sich ein flächiger musikalischer Fluss, dem die Bläser teilweise eine dramatische Note verliehen. Dabei griffen die Motive ineinander, bis sie in einer unisono geführten Passage gebündelt erklangen und schließlich auseinanderdrifteten. Dabei wurde der heitere Gemütszustand immer weiter aufgewirbelt, bis er in einer ziemlich chaotischen Passage mündete. Eine in sich ruhende Klavierpassage, von Viola Hammer solo gespielt, bot einen Ankerpunkt, aus dem sich aufstrebende Gesten herauskristallisierten und in einen hoffnungsfrohen Schluss mündeten, gerade noch rechtzeitig, bevor die Musik allzu beliebig zu werden drohte.
Die Komposition war eher kammermusikalisch angelegt. Doch die wenig transparente Instrumentierung wirkte diesem Duktus entgegen. Insgesamt entfaltete das Werk eine gut nachvollziehbare, erzählende Struktur.