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Peter Ionian · 31. Okt 2021 · Musik

Radikal gefühlvoll - Mira Lu Kovacs präsentiert ihr persönliches Album im Dornbirner Spielboden

Mira Lu Kovacs war schon oft im Spielboden zu hören, mit all ihren musikalischen Projekten. Die Lieder der preisgekrönten österreichischen Sängerin und Komponistin sind erstmals als Schmieds Puls auf der Bildfläche erschienen. Schnell kamen elektronische Elemente dazu. Sie fusionierte mit Kompost 3 zu 5KHD. Experimentelle avantgardistische Grenzbereiche wurden erforscht, sie tourten durch Europa und gewannen Musikpreise. Damit nicht genug brachte Kovacs mit drei weiteren Künstlerinnen als My Ugly Clementine Themen wie Feminismus, Empowerment und Gleichberechtigung auf die Bühne. Ihr Output und ihre Vielseitigkeit erscheinen jenseitig. Und all das war auch schon im Spielboden live zu hören. Doch vergangenen Samstag ist Mira Lu Kovacs zum ersten Mal als Mira Lu Kovacs aufgetreten, also unter ihrem bürgerlichen Namen. Und mit ihrem persönlichsten Programm.

Es ist persönlich geworden

Mira Lu Kovacs hat die Entschleunigung der Pandemie dafür genutzt, sich Lieder von der Seele zu schreiben. Sie hat ihr Herz dargelegt, Emotionen formuliert und Gefühlswelten vertont, schonungslos leidend und ehrlich. Daraus ist das fragile melancholische Album "What Else Can Break" entstanden. Es geht einen Schritt zurück, braucht keine Effekte mehr, wird einfacher und direkter, roher und natürlicher. So war auch ihr Konzert. Unter ihrem eigenen Namen trat Mira Lu Kovacs im Spielboden nahbar, gefühlvoll und verletzlich auf. Ihre Radical Softness sei das Werkzeug der Rebellion. Gefühle zu zeigen, ermächtige.

Das war live spürbar. Sie erzählte die Entstehungsgeschichten ihrer Lieder, hat das Publikum ins Gespräch eingeladen und gab auch einen Witz zum Besten. Inzwischen ein fixer Bestandteil ihrer Konzerte, die immer so traurig seien, weshalb sie Witze erzähle. Humor war also auch dabei. Aber vor allem Stille, Raum und Gefühlsschwingungen. Ausdrucksvolle Texte, getragen von einer Stimme, die wieder mit Tönen in höchsten Höhen spielte. Um sich dann auch in die Tiefen zu wagen, sowohl tonal als auch mit den Liedern. Eine Mira Lu Kovacs so authentisch und unprätentiös wie nie zuvor.

Rundherum war alles weniger, instrumental reduziert. Manchen Songs reichte die akustische Gitarre und Repetition. Schlagzeug und Bass setzten oft erst spät ein, um die Intensität ins Finale zu bringen. Diese Intensität wurde auch breit getragen von den vollen mehrstimmigen Gesängen. Oder von der herausragenden Klarinette, die alles um eine markante Klangfarbe erweiterte. Das Konzert hatte aber vor allem ganz viel weniger. Für Mira Lu Kovacs sei die extremste Form, gewisse Dinge zum Ausdruck zu bringen, sie leise zu tun. Ein paar Akkorde und die Wahrheit. Das hatte Intensität.

Nähe und Distanz

So ein Liedgut und so ein Auftritt hat die Aufmerksamkeit verdient, die ein Sitzkonzert automatisch herstellt. Schade, wenn dann vorne einige Plätze leer bleiben und so das Gefühl vermitteln, dass die Leute fehlen. Mitunter bleiben die Menschen gerade lieber zuhause, weil steigende Coronazahlen auch Sorge und Vorbehalte steigern. Dabei waren die Kontrollen derart gewissenhaft, dass beispielsweise Leute einen vergessenen Lichtbildausweis zuhause holen mussten. Schon vor Einlass hat die Pandemie die Gäste begrüßt. Es wurde darum gebeten, im Saal FFP2 Masken zu tragen. Die meisten machten das auch. Das war zwar keine Pflicht, aber die Künstler*innen hatten darum angefragt. Also auch auf der Bühne Sorgen wegen der Zahlen. Kovacs war zudem leicht angeschlagen, trank Tee während des Konzerts.

All das machte es an diesem Abend gar nicht so einfach, Verbindung aufzunehmen. Am Anfang war noch viel Distanz da, alles recht reserviert. Doch die vereinnahmende Schlichtheit des Konzertes entwickelte eine Sogwirkung, der man sich nicht entziehen konnte. Die Authentizität schuf Intimität. Gefühle gingen im Raum in Resonanz, es taute auf. Unter der Banduniform Business Outfit wurde es warm. Eine Frau aus dem Publikum ließ es sich nicht nehmen, zu tanzen. Das zerbrochene Glas und die umgefallene Flasche erklangen genau im Takt, als wären sie dazugehörige perkussive Elemente gewesen. Alles ist zusammengeschmolzen zu einem Abend wohltuenden Schmerzes, befreiender Offenheit und einem Witz zwischendurch.

Am Ende als Zugabe noch die intensive Single "Stay A Little Longer". Für alle, die nach dem Konzert rechtzeitig zum Merch-Stand kamen, gab es nochmal einen Witz, persönlich erzählt von Mira Lu Kovacs. Der Eindruck der bleibt: Es ist persönlich geworden. Das Album, das Konzert und die Künstlerin Mira Lu Kovacs.