Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Walter Gasperi · 03. Apr 2011 · Film

Sucker Punch

Nach den Comic-Verfilmungen „300“ und „Watchmen“ legt Zack Snyder nach einem eigenen Drehbuch eine sexistische Action-Fantasie vor, in der fünf junge, leichtbekleidete Frauen versuchen, aus einer Irrenanstalt zu fliehen. Bildgewaltig ist das zweifellos, aber die Handlung ist so dünn, dass „Sucker Punch“ wie eine Seifenblase zerplatzt.

Mit einem sich hebenden Theatervorhang gibt Zack Snyder gleich vor, wie sein Film zu lesen ist: In die Welt der Träume, des Spiels, des Theaters und Varietés - oder eben des Kinos - entführt er den Zuschauer. Ganz real ist allerdings die Eröffnungssequenz, in der eine junge Blondine (Emily Browning) nach dem Tod ihrer Mutter von ihrem Stiefvater missbraucht wird, während ihre jüngere Schwester ermordet wird. In Stummfilmmanier ist das erzählt und eine Coverversion von „Sweet Dreams (Are Made of This)“ von den Eurythmics liefert nicht nur den Kommentar zu dieser Szene, sondern stimmt auch auf die kommende Traumwelt ein.

Kino der puren Oberfläche

Alle stilistischen Mittel, für die Snyder bekannt ist und derer er sich auch in „Sucker Punch“ bedient finden sich in dieser Eröffnung: Fast auf Schwarzweiß ist die vom Film noir inspirierte Welt der 50er Jahre hier reduziert, mit extremen Auf- und Untersichten, hoher Schnittfrequenz, Detailaufnahmen sowie Einsatz von Zeitlupe wird die Handlung ebenso wie durch die Musik aufgepeppt. Mehr an Comic und Videoclip als am klassischen Erzählkino orientiert sich Snyder, bietet Augenfutter pur, hinter dessen Oberfläche sich aber letztlich nicht viel verbirgt.
Der böse Stiefvater liefert die junge Frau jedenfalls, um an ihr Erbe zu kommen, in eine Irrenanstalt ein. Dort soll sie in fünf Tagen lobotomiert werden. Sogleich steigert sich die Blondine in eine Fluchtfantasie, verwandelt für sich die Irrenanstalt in ein Bordell, in dem die Ärztin die Puffmutter und der korrupte leitende Pfleger der fiese Zuhälter ist. In fünf weiteren Insassinnen sieht sie Huren, in denen sie Gefährtinnen findet, mit denen sie in einer zweiten Traumebene in spektakulären Actionsequenzen für die Flucht wichtige Gegenstände wie eine Karte, ein Feuerzeug oder ein Messer beschaffen muss.

Nummernrevue statt Story

An visuellem Einfallsreichtum hat „Sucker Punch“ – der Titel heißt übersetzt „Schlag ohne Vorwarnung“ – zweifellos Einiges zu bieten, doch Flickwerk ist das Drehbuch. Die geträumten Actionszenen, in denen das Quintett die Gegenstände raubt, sind trotz der gegen Ende sichtbar werdenden Bezüge zur Handlung auf der realen Ebene bloßes Füllmittel. In dieser Nummernrevue kann Snyder zunächst Babydoll – wie die Protagonistin in der Irrenanstalt genannt wird – ins feudale Japan entführen, wo sie drei riesenhafte Samurai in furiosen Schwertkämpfen besiegen muss. Sind dann einmal die Kampfgefährtinnen gefunden, geht´s auf die Schlachtfelder des Ersten Weltkriegs, auf denen den bösen Deutschen eine Karte entrissen werden muss, ehe in einer mittelalterlichen Fantasy-Welt ein fliegender und Feuer speiender Drache bekämpft werden muss.
Unterlegt ist das natürlich alles mit entsprechender Musik. Ein Mix der „Queen“-Hits „We Will Rock You“ und „I Want It All“ erschallt da ebenso wie Neuaufnahmen von Björks „Army of Me“ oder „Love is the Drug” von Roxy Music und „Where is My Mind?“ (Pixies, 1988), mit dem schon David Fincher seinen „Fight Club“ ausklingen ließ, und „Asleep“ (The Smiths, 1985) werden von der Hauptdarstellerin Emily Browning gleich selbst gesungen.
Unbestritten ist Snyders Gespür für Bilder und Musik, doch wird dies hier vergeudet um eine mitreißende Oberfläche zu schaffen. Mag die Musik auch immer wieder auf die Bilder verweisen, letztlich bleibt es bei einer Aneinanderreihung von Videoclips, hinter denen sich nur eine große Leere verbirgt. Aufgesetzt wirkt da Babydolls Philosophieren über die Freiheit, die man nur in den Träumen erreichen kann und der Aufruf zur Selbstbefreiung und zum Glauben an sich. Nie fügen sich die einzelnen Realitätsebenen wirklich zu einer sich gegenseitig bereichernden und die Handlung entscheidend weiter treibenden Einheit. Ganz dünn bleibt die erste Traumebene mit dem Traum vom Irrenhaus Bordell und der Gleichsetzung von Lobotomierung und Entjungferung.

Ausschlachtung der Pop- und Filmgeschichte

Ganz im Gegensatz zu „The Watchmen“, in dem Snyder nach der Graphic Novel von Alan Moore (Text) und Dave Gibbons (Zeichnungen) noch mitreißend eine komplexe Geschichte erzählte, lebt „Sucker Punch“ nur von der Ausschlachtung der Film- und Musikgeschichte, ist pures Überwältigungskino ohne jeglichen Gehalt.
Bei Sam Fullers „Shock Corridor“ (1963) bedient sich Snyder ebenso wie bei Scorseses „Shutter Island“ und lässt Einflüsse von Nolans „Inception“ über Tarantinos „Kill Bill“ bis zu Formans „One Flew Over the Cockoo´s Nest“ erkennen. In der Schilderung der bleischweren amerikanischen 50er Jahre-Atmosphäre bedient er sich beim Film noir, in den Traumsequenzen bei Martial-Arts und Fantasy-Filmen. Keine emotionale Beziehung kann man bei diesem Bildergewitter zu den Protagonistinnen aufbauen, die freilich wie alles hier nur männliche Sehlüste befriedigen sollen: Sexy müssen sie sein, ihre körperliche Reize dank knapper Bekleidung ausstellen. Wie der Rest von „Sucker Punch“ so sind auch die Figuren in erster Linie optischer Aufputz, auf ihren Körper reduzierte Barbie-Puppen, die sich freilich durchaus wehren können, deren Sehnsüchte aber äußerst konservativ sind, wollen sie doch vor allem heim zu Mama.
Wenn das ironisch gebrochen wäre wie bei Tarantino oder in Rodriguez´ „Machete“, könnte man durchaus Spaß daran haben, doch als allzu hohl erweist sich Snyders Konzept recht bald, sodass man zwar das furiose visuelle Trommelfeuer genießen kann, vom Film an sich angesichts seiner Substanzlosigkeit aber bald schon angeödet ist.