Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Walter Gasperi · 03. Apr 2011 · Film

Aktuell in den Filmclubs (4.4. - 10.4. 2011)

Während im Takino Schaan der Norweger Jens Lien in „The Brothersome Man“ in einen ebenso beklemmenden wie skurril-witzigen kafkaesken Alptraum entführt, zeigt der FKC Dornbirn mit Stéphane Brizés „Mademoiselle Chambon“ ein gerade in seiner Zurückhaltung meisterhaftes und emotional ungemein dichtes Liebesdrama.

Mademoiselle Chambon: Schon mit „Man muss mich nicht lieben“ hat sich der Franzose Stéphane Brizé als ein Meister der leisen Töne erwiesen. Wie alle guten Filme, leben auch die Brizés nicht vom „Was?“, sondern vom „Wie?“. Denn mögen Dreiecksgeschichten im Kino längst bis zum Überdruss abgehandelt worden sein, so macht die Art, wie der Franzose von einem verheirateten Maurer (Vincent Lindon) erzählt, der sich in die Lehrerin (Sandrine Kiberlain) seines Sohnes verliebt, "Mademoiselle Chambon" doch zu einem kleinen Wunder. Zunächst versucht Jean zwar gegen die Gefühle anzukämpfen, wird aber immer mehr zerrissen zwischen Gattin und Geliebter.
Die Kunst Brizés besteht in der Zurückhaltung der Inszenierung, im Verzicht auf dramatische Szenen und weitgehend auch auf emotionalisierende Musik. In der ruhigen und nüchternen Erzählweise lässt er dafür, unterstützt von großartigen Darstellern, den Zuschauer tief in die Gefühlswelt, die Sehnsüchte und die Zerrissenheit seiner Protagonisten blicken. Hier werden nicht mit aufdonnernden filmischen Mitteln Emotionen hineingepresst, sondern die Leinwand wird in langen ruhigen Einstellungen durch Blicke und Gesten behutsam damit gefüllt. Wer Action sucht und heiße Liebesszenen ist hier am falschen Platz – einlassen muss man sich auf diesen Film und wird dafür mit einem konzentrierten und intensiven Kinoerlebnis beschenkt.
FKC Dornbirn im Cinema 2000: Mi, 6.4., 21.30 Uhr; Do, 7.4, 19.30 Uhr


The Brothersome Man: Aus einer öden Wüstenlandschaft bringt ein Bus einen Mann in eine durchgestylte Stadt, in der es aber keine Grünfläche, keine Musik, Tiere und auch keine Kinder gibt. Völlig emotionslos verläuft hier das Leben, Sex ist auf die Mechanik einer gymnastischen Übung reduziert, das Ende einer Beziehung nimmt man völlig gelassen hin und teilnahmslos geht man an einem Selbstmörder vorbei. Doch der Neuling akzeptiert diesen Alltag immer weniger und wird bald versuchen aus dieser perfekt funktionierenden, aber völlig sterilen Welt auszubrechen.
Die Konsequenz der Inszenierung dieses kafkaesken Alptraums macht „The Bothersome Man“ gleichzeitig beklemmend und schreiend komisch. Die Farben sind auf eine Fülle von Grautöne reduziert, die Gleichgültigkeit der Menschen zieht sich ebenso durch den ganzen Film wie die Ordnung und Sauberkeit oder die belanglosen Gesprächsthemen. Bestechende Arbeit wurde bei der Gestaltung der Kulissen geleistet. - Als stylisch und prätentiös könnte man das visuelle Konzept bezeichnen, sorgt hier aber für Geschlossenheit, da es nicht Selbstzweck ist, sondern ganz im Dienst der Handlung und der Evokation dieser lebensfeindlichen Welt steht.
Konsequent mit den Augen des Neuankömmlings Andreas lässt der Norweger Jens Lien den Zuschauer auf diese Gesellschaft blicken, die zunächst so fremd scheint, einem jedoch zunehmend vertrauter und deshalb beunruhigender wird.  Denn im Grunde wird nichts Spektakuläres erzählt. Von wenigen drastischen Szenen abgesehen verzichtet Lien auf grelle Effekte und Pointen. Wie die Figuren verliert auch der Film selbst nie die Contenance und bleibt so ruhig und kalt wie die geschilderte Welt, mit der Lien ins Surreale überspitzt die Gefühlskälte und Oberflächlichkeit des realen Lebens satirisch aufs Korn nimmt.
Takino Schaan: Do, 7.4., 18 Uhr