Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Gunnar Landsgesell · 31. Mai 2019 · Film

Rocketman

Vom tristen Londoner Arbeiterbezirk zu glamourösen Poolparties in Kalifornien. "Rocketman" ist die Geschichte von Elton John, einem privat unglücklichen jungen Mann, der sich aus jeder Krise auf der Bühne wieder neu erfindet. Ein Biopic mit enthusiastischen Choreographien und Musikeinsätzen.

Wie stellt man sich das Privatleben von Rockstars in den Siebzigern vor? Ungefähr so, wie es in „Rocketman“ zu sehen ist. Drogen, bis die Nasenscheidenwand undicht wird, Alkohol bis zum Abwinken und Poolpartys; nur das mit den Frauen verhält sich hier ein wenig anders. Dass der in einem tristen Londoner Arbeiterbezirk aufgewachsene Reginald Dwight – der spätere Glam-Rock-Star Elton John – schwul ist, ändert einerseits nichts daran, dass Beziehungen eher Probleme als Glück schaffen. Andererseits nutzt Regisseur Dexter Fletcher („Bohemian Rhapsody“) seine queere Hauptfigur dafür, um mit einer recht expliziten schwulen Sexszene ein Statement zu setzen. In einem alle Konventionen beachtenden Mainstream- und Musicalfilm mit letztlich sonnigem Gemüt fällt das auch auf. Und ist sicherlich kein Zufall, denn Elton John dürfte als ausführender Produzent wohl jede Handlung von Taron Egerton, der ihn selbst spielt, genau so autorisiert und gewollt haben. Dazu passt, dass „Rocketman“ sein Publikum geradezu enthusiastisch umarmt: Man kann zur Musik von Elton John stehen wie man will, die Arrangements gehen eine fein choreografierte Symbiose mit den Filmbildern ein. Bestes Beispiel: Elton, der Unglückliche, stürzt sich nicht zuletzt unter massivem Alkoholeinfluss auf seiner eigenen Party in den Pool, um dort zu ertrinken. Unten am Grund begegnet ihm ein kleiner Bub, der ihn traurig anblickt, während sich die gesamte Szenerie im Tiefblau des Wassers und zwischen verspielten Luftblasen zu einer anmutigen Unterwasserchoreographie samt triumphalen Orchesterklängen steigert.

Zwischen Unglück und Bühnenstar 

So geht es Elton und damit dem Zuseher während des gesamten Films: Der Grat zwischen dem persönlichen Unglück und dem Superstar ist schmal, und eigentlich richtet sich dieses Biopic genau an den beiden emotionalen Extremen ein. Da der Mann, der sich nicht attraktiv, nicht geliebt und nicht akzeptiert fühlt. Sein Vater lässt ihn mehrmals kühl abblitzen, seine Mutter (Bryce Dallas Howard) denkt vor allem an ihr eigenes Wohl. Und dort der angehende Star, der sich fantastische Kostüme und burleske Shows ausdenkt. „Rocketman“ erzählt vor allem von einem Stehaufmännchen, das sich nach jeder persönlichen Krise für die Bühne wieder neu erfindet und dort sein anderes, eigentliches Leben führt. Ein introvertierter Extrovertierter, wie es einmal im Film über ihn heißt. Das entspricht einem erzählerischen Prinzip, das vielleicht etwas einförmig, aber zugleich ehrlich genug ist, herauszustreichen, dass man dieser Figur eben nur an den beiden Extrempolen entspricht, aber nicht dazwischen. Das hat ein bisschen etwas von einer Rocky Horror Picture Show. Gerahmt ist „Rocketman“ allerdings von einer therapeutischen Gruppensitzung, in der Reginald aus seinem Leben erzählt mit dem Ziel, genau dieses in den Griff zu kriegen. Und sein Leben auch mal nüchtern zu führen. Am Ende ein klammer Moment, wo er von seinem Langzeit-Ko-Kompositeur Bernie Taupin (Jamie Bell) ein Blatt Papier in die Hand gedrückt bekommt mit guten Wünschen, es nun ohne verbotene Substanzen zu probieren. Wer sich an Elton Johns „I’m Still Standing“ erinnert, für den bekommt der Song im Film eine neue, angemessene Bedeutung.