Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Gunnar Landsgesell · 03. Okt 2019 · Film

Nobadi

Wenn die Wut verfliegt: Karl Markovics lässt in seinem dritten Spielfilm einen bissigen, alten Kleingartenbewohner und einen jungen Flüchtling aus Afghanistan aufeinandertreffen. Ein Kammerspiel mit hoher innerer Spannung, obwohl nichts Spektakuläres passiert. Kein Rührstück, stattdessen bitterböser Humor, hinter den Markovics zu blicken wagt.

Über die Unbilden des Lebens: Der geliebte Hund stirbt, die Hacke bricht beim Loch buddeln, der Bus zum Geschäft ist voller lärmender Schüler. Und dann ein Flüchtling, der den Alten nach Arbeit fragt. Der Alte, Heinrich Senft (Heinz Trixner), ein griesgrämiger Mann, nicht ohne komische Note, eigentlich eine Figur, wie sie Karl Markovics gerne zeichnet. Schon in der Figur konzentriert der typische (Ost-)Österreicher eine Type, die möglicherweise gerade ausstirbt. „Nobadi“ ist ein lakonischer Film, dessen bitterer Humor fröhlich den Staub, den das Eigenheim des Pensionisten angesammelt hat, wegbläst. Während der Asylwerber Adib Ghubar (Borhanulddin Hassan Zadeh) also draußen die Hacke schwingt, blendet ein Zwischenschnitt auf den toten Hund im Zimmer, der quasi auf seine Bestattung wartet. Markovics legt es gar nicht so sehr auf den in Filmen beliebten Kultur-Clash an, sondern suchte vor allem zwei extreme Pole, zwischen denen sich die eigene Alltagskultur eines eher unwirschen Miteinanders entblößt. Dass Markovics kein Pointenknipser ist, unterscheidet seine mittlerweile dritte Regiearbeit von einigen anderen Produktionen. Der rabiate Bürger und die dahinter liegende Einsamkeit sind kein Widerspruch, sondern fügen sich stimmig zu einer Physiognomie des landläufigen Lebens.

Humor Marke Markovics

Nach „Atmen“ (als Junger im Bestattungsinstitut) und „Superwelt“ (als Supermarktkassiererin auf biblisch-übersinnlichen Wegen) nun in die nicht minder eigentümliche Kultur der Kleingärtner. Ein Schrebergarten-Kammerspiel, in dem die Emotionen hin- und herwogen. Kein Rührstück, obwohl wohl alles dafür angelegt wäre. Doch Markovics, auch der Drehbuchautor, versteht es, seinen Protagonisten zwischen unkontrollierten Wutausbrüchen und einer ebenso plötzlichen Einsicht und Vernunft darzustellen. Damit gelingt eine Figur aus Fleisch und Blut, die für sich spricht, anstatt das Publikum einschlägig zu unterhalten. Auf der anderen Seite ein Flüchtling aus Afghanistan, der vielleicht nicht ganz das prägnante Profil seines Gegenübers erhält, aber weitgehend von Flüchtlingsklischees ausgespart bleibt. Ein seltsames Gespann sind beide allemal. Trotz oder gerade wegen seiner konzentrierten Erzählweise vermag „Nobadi“ spürbare innere Spannung zu erzeugen, man folgt dem Fortlauf einer an sich keineswegs spektakulären Handlung fast so, als handle es sich um einen Thriller. Darin liegt aber auch das Geheimnis jeder neu erzählten Beziehung zwischen Menschen. Markovics Auftrag an sich ist es auch diesmal, deren äußere Schale ein wenig aufzubrechen. Am Ende wird der kauzig-bissigen Wutbürger zum unbeholfen empathischen Geschichtenerzähler, ohne zu merken, dass er Ersatz für seinen toten Hund gefunden hat. Humor Marke Markovics.