„Kaffee und Zucker?“ Dokumentartheater im TAK in Liechtenstein © Pablo Hassmann
Gunnar Landsgesell · 12. Mär 2020 · Film

Narziss und Goldmund

Hermann Hesse war zeit seines Lebens ein literarisch Suchender. Mit "Narziss und Goldmund" erzählt er exemplarisch von zwei ganz gegensätzlichen Lebensentwürfen, die aber zugleich von der ganz konkreten (möglichen homoerotischen) Nähe zweier Klosterschüler geprägt ist. Stefan Ruzowitzky hat den Stoff als beschwingte Mittelalter-Posse adaptiert, die diese Themen eher am Rand beschäftigt.

Ein entblößter Rücken bleibt in „Narziss und Goldmund“ selten heil. Goldmund ist noch ein kleiner Bub, als die Rute des Klosterlehrers auf dem Kinderkörper blutige Striemen hinterlässt. Gerade wurde er von seinem Vater im Kloster abgegeben, weil seine Mutter eine „Hure“ sei. Narziss wiederum peitscht sich selbst in der Büßerzelle aus, weil es unter den Mitbrüdern Gerede über sein Verhältnis zu Goldmund gibt. Regisseur Stefan Ruzowitzky lässt in einigen wenigen Momenten an eine homoerotische Beziehung der zwei jungen Männer denken. „Narziss und Goldmund“ ist ein ambivalent diskutiertes Buch von Hermann Hesse. Die Geschichte zweier Männer, Narziss (hier: Sabin Tambrea) als der asketische, kluge Klosterschüler, der es in jungen Jahren zum Abt bringen wird; und Goldmund (Jannis Niewöhner), der sinnliche, künstlerisch talentierte Junge, der lieber auf Wanderschaft und Holzschnitzer-Lehre geht, amourös mit diversen Frauen verkehrt und immer auf der Suche nach seiner Mutter ist – diese Geschichte hat bei Hesse eine philosophische Dimension. Vom Schweizer Psychoanalytiker und Geisterforscher CG Jung beeinflusst, konstruierte Hesse seine zwei Romanhelden als gegensätzliche Kräfte, wie sie unsere Welt bestimmen. Für die Nähe der beiden, die sich zwar aus den Augen verlieren, aber unsichtbar verbunden bleiben, gibt es dann verschiedene Interpretationsmodelle. Etwas mit der Suche nach dem Sinn hat es wohl zu tun. 

Die Zweifel des Lebens

Im Fall von Ruzowitzkys Verfilmung besteht die Gefahr aber gar nicht. Er hat das Buch als beschwingt-mittelalterliches Abenteuer inszeniert, das sogar einen Hang zum Märchenhaften hat. Da gibt es Edelleute, die den des Schreibens kundigen Goldmund in ihre Dienste aufnehmen, während deren Töchter unter seine Bettdecke schlüpfen. Da gibt es verschneite Landschaften, Pesttote und ganz üble Landstreicher und noch mehr Töchter, die sich dem Wandersmann anbieten. Phasenweise wirkt der Film wie eine Posse, für die das Mittelalter den richtigen Rahmen abzugeben scheint. Alles sehr zeitgemäß. „Man muss das Holz lieben wie sein Mädchen“, heißt es da einmal, wenn der Meister seine Lehrlinge instruiert. Die philosophische Tiefe Hesses und seine teils trockene Rhetorik braucht man dafür nicht fürchten. Das ambivalente Spiel zwischen Gegensatz und Nähe, das der Roman als Grundthema hat, wird einen in den munteren Szenen aber auch nicht belasten. Narziss’ Karriere zum Abt und seine Zweifel sind recht uninspiriert in die Rahmenhandlung gepackt, während Goldmund die saftigen Rückblenden der Wanderjahre gehören. Es sind zwei Welten, in die der Film zerfällt, auch wenn er am Ende beide wieder verbinden möchte. Warum Ruzowitzky diesen Stoff schon seit Jahren verfilmen wollte, lässt sich nicht so recht nachvollziehen. Dazu hält der Film dann doch zu wenig Fragen parat bzw. Sensorium für die jeweils andere Figur bereit. In Hesses Buch geht es immer auch um die zweifelnde Frage, ob der andere mit seinem Lebensentwurf Glück und Erfüllung gefunden hat. Im Film geben die Schauwerte die Antwort.