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Gunnar Landsgesell · 05. Mär 2020 · Film

Emma.

Jane Austens Schlüsselroman "Emma" erzählt von einer jungen Frau, die gleichermaßen selbstbewußt, reich und attraktiv ist. - Und dennoch alleinstehend. Die Fotografin und Musikclip-Regisseurin Autumn de Wilde verbindet in ihrer Inszenierung steife, werkgetreue Sprache mit unablässigen, pikierten Situationen und generiert genau daraus den Witz ihres Projekts.

Hilbury, ein Dorf in England Anfang des 19. Jahrhunderts. Die „schöne, kluge und wohlhabende Emma Woodhouse“, wie es zu Beginn des Films heißt, scheint vor allem von ihrem eigenen Status geleitet zu sein: von ihrer äußerlichen Attraktivität, ihrer überzeugenden Ratio und ihrem Reichtum, der sie vor jeder existenziellen Sorge verschont. Im stattlichen Anwesen ihres Vaters (Bill Nighy) hat sie das Sagen. Er wiederum meint zu seiner Tochter: Du darfst mich niemals alleine lassen. Jane Austens meisterliches Werk „Emma“, 1815 erschienen, bietet eine schillernde, ambivalente Protagonistin, die in Autumn de Wildes Neuverfilmung nicht von vornherein als Sympathieträgerin auftritt. Die sozialen Kontakte von Emma (Anya Taylor-Joy) ergeben sich nicht einfach so, sondern folgen eigenen Kriterien. Da wäre zum Beispiel ihre beste Freundin Harriet Smith, eine unverstellte und naive junge Frau, die man oft in Gruppenformationen mit anderen Schülerinnen sieht. Emma behandelt sie fast wie eine Spielpuppe, hat ihre Pläne für deren Leben. Sie will sie mit dem Dorfpfarrer Mr. Elton (Josh O’Connor) verkuppeln, auch wenn Harriet diesen gar nicht liebt. Emma ist ein pain in the ass, wie man heute sagen würde, Taylor-Joy spielt sie in einer Mischung aus Altklugheit und freundlichem Gesicht.

Nicht ohne Witz 

In Autumn de Wildes Inszenierung ist gerade diese forsche Charakterzeichnung ein Schlüsselelement für das Verständnis von Austens Roman. Die spezielle Coming-of-Age-Geschichte einer jungen Frau, die erst einen Zugang zu ihrem eigenen Gefühlsleben finden muss, um auch ihrer Umgebung anders zu begegnen. De Wilde gibt anderen Figuren, den ignorierten Schwager Emmas, George Knightley (Johnny Flynn), den Familien und Bekannten, einigen Raum. Die Schwingungen dieser bürgerlich-adeligen Gesellschaft werden in nahezu jedem Bild spürbar. Der Dreh dieser Neuverfilmung durch die Fotografin Autumn de Wilde liegt nun gerade in der Werktreue, mit der sie die Titelheldin auf die Leinwand bringt. Drehbuchautorin Eleanor Catton (jüngste Booker-Preisträgerin) behält die höfisch-steife Sprache dieser Epoche bei und irritiert einen zu Beginn einigermaßen, weil sich der formale Tonfall ganz anders anfühlt als zum Beispiel zuletzt in Greta Gerwigs feministisch formiertem Historienfilm „Little Women“. Doch Catton gelingt es gerade durch diese authentische Sprache, all die ironischen, sarkastischen Spitzen und den oft pikierten Tonfall aus Austens Roman herüberzuretten. De Wilde hingegen mag für die Post-Punk-Band „Wild Stripes“ Cover Work gemacht haben, hier beweist sie ein Adlerauge für historische Genauigkeit. Man glaubt zu hören, wie die steifen Stoffe der Kostüme reiben oder spürt, wie es sich anfühlt, wenn jemand in der höfischen Gesellschaftsordnung mal aus der Reihe tanzt. Wenn Emma ihr Kleid hochzieht, um sich ihr nacktes Gesäß am Kamin zu wärmen, während die Kamera schräg hinter ihr lauert, weiß man, dass alles in diesen Tableaus minutiös geplant sein mag, aber der Witz dennoch nie verloren geht. Nach einem Reigen sozialer Verkettungen und emotionaler Läuterungen ist es schließlich auch der Titelheldin vorbehalten, sich richtig zu verlieben.