Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Walter Gasperi · 05. Mär 2020 · Film

Aktuell in den Filmclubs (6.3. - 12.3. 2020)

Am Spielboden Dornbirn findet diese Woche das 4th Human Vision film festival statt. In der Kinothek Lustenau wird im Rahmen der neuen Programmkinoschiene noch zwei Mal Gus Van Sants "Don't Worry, weglaufen geht nicht" gezeigt.

4th Human Vision film festival: Auch heuer bietet das Human Vision film festival ein umfangreiches Rahmenprogramm, im Zentrum stehen aber die Filme mit Diskussionen im Anschluss an die Vorführungen. Eröffnet wird mit dem für zwei Oscars nominierten nordmakedonischen Dokumentarfilm „Honeyland, in dem Tamara Kotevska und Ljubomir Stefanov in großartigen Bildern, aber doch etwas einfach gestrickt einer im Einklang mit der Natur lebenden Wildimkerin das die Natur ausbeutende Wirtschaften ihrer Nachbarn gegenüberstellen.
Mut machende Projekte, die zeigen, wie das Zusammenleben auf der Erde nachhaltig verbessert werden kann („2040 – Wir retten die Welt“) und wie bereichernd die Grundschulzeit in einer Inklusionsklasse sein kann („Die Kinder der Utopie“), stehen ebenso auf dem Programm wie Dokumentarfilme über gewaltfreien Protest. Einblick in den Widerstand gegen die Vernichtung des Hambacher Forsts („Die Rote Linie“) wird dabei ebenso geboten wie in den Aufstand von Dorfbewohnern gegen den Besitzer der größten Silbermine Afrikas („Amussu“).
Auch wer Spielfilme vorzieht, kommt nicht zu kurz: Der Schweizer Samir erzählt in dem Thriller „Baghdad in my Shadow“ spannend vom Leben von Exil-Irakern in London, während Niklaus Hilber in „Bruno Manser – Die Stimme des Regenwalds“ die Erfahrungen des Schweizer Ethnologen und Umweltaktivisten im Dschungel von Borneo nachzeichnet.
Spielboden Dornbirn: So 8.3. bis Sa 14.3.

Don't Worry – Weglaufen geht nicht: Gus Van Sant erzählt vom Karikaturisten John Callahan, der erst nach einem schweren Unfall, nach dem er querschnittgelähmt blieb, von seiner Alkoholsucht loskam. Van Sant erzählt die Geschichte des 2010 verstorbenen Callahan aber weder linear noch wird das ganze Leben nachgezeichnet. Eine klare erzählerische Linie ist nicht wichtig, vielmehr geht es darum, mit einer Fülle von kurzen Szenen ein vielschichtiges Porträt zu zeichnen. Aus dem Geflecht von Szenen, in denen zwar immer Van Sants Mitgefühl spürbar ist, aber auch der bissige schwarze Humor, der auch Callahans Karikaturen auszeichnet, nicht fehlt, kristallisiert sich langsam eine Entwicklung heraus.
Das ist dann zwar im Kern die klassische amerikanische Geschichte von traumatischer Kindheit, tiefem Fall in den Alkoholismus und Kampf zurück ins Leben und Selbstfindung, die Callahan trotz seiner Behinderung über das Zeichnen gelingt, doch der sonst übliche Kitsch fehlt hier dank Van Sants ungewöhnlicher Herangehensweise und seinem unsentimentalen Blick auf den Behinderten.
Dieser Blick entspricht dem Blick Callahans in seinen Karikaturen, in denen er schonungslos und teilweise auch makaber körperliche Einschränkungen verarbeitete. Geschickt baut Van Sant diese vielfach auch umstrittenen Karikaturen in seinen Film ein, animiert sie teilweise auch. Auch der Filmtitel bezieht sich auf eine Karikatur, in der zwei Sheriffs einen leeren Rollstuhl mit dem Satz kommentieren "Don't worry, he won't get far on foot".
Wunderbar schnoddrig und roh spielt Joaquin Phoenix Callahan, vermittelt seine Sucht ebenso intensiv wie seine Wut und seinen Schmerz darüber, dass ihn seine Mutter zur Adoption freigegeben hat, aber auch seine langsame Aussöhnung mit sich und der Welt.
Allzu versöhnlich und weichgespült mag "Don't Worry" im Finale sein, aber die Menschlichkeit und die Ehrlichkeit nehmen doch für dieses bewegende Drama ein, das trotz des ernsten Themas auch mit den flippigen und bunten 1970er Jahre Hemden, Brillen, Frisuren und Farben Optimismus und Lebensfreude verbreitet.
Kinothek Lustenau: Di 10.3., 20 Uhr + Mi 11.3., 18 Uhr