Neu in den Kinos: "Die Unschuld" (Foto: Wild Bunch Germany/Plaion Pictures)
Gunnar Landsgesell · 16. Mär 2018 · Film

Maria Magdalena

Ein Beitrag zur Osterzeit: Jesus durch die Augen Maria Magdalenas betrachtet. In dieser filmischen Neuinterpretation wird sie von der Hure zur Heiligen und erweist sich in der Rolle der engen Gefolgsfrau als Vorzeige-Apostelin. Ein Bibelfilm als trautes Duett.

Sich Heilige als vorbildliche, tadellose Menschen auszumalen, mag im Religionsunterricht durchgehen, im wirklichen Leben dürften Ideale wie diese wohl eher als farblos, wenn nicht blutleer empfunden werden. Rooney Maria hat nun auch so eine Rolle ausgefasst. Geht es nach dem jüngsten Bibelfilm „Maria Magdalena“, dann müsste das Neue Testament umgeschrieben werden. Maria war nicht die Hure, die zu Jesus’ Anhängerin wurde, sondern eine Frau, die geradezu als dessen Nachfolgerin in Position gebracht wird. Verinnerlichter als er selbst, folgsamer als die Apostel und immer die Botschaft des Evangeliums auf den Lippen. Während Apostel wie Petrus (Chiwetel Ejiofor) lieber ausströmen würden, um die Leute in Kanaa und Galiläa zu taufen und zu bekehren, kümmert sich Maria um die Sterbenden eines Dorfes – soll heißen, sie verschwendet ihre Zeit und Kraft für jene, die das Christentum auf dieser Welt eher nicht mehr weitertragen können. Ich wusste nicht, dass wir Soldaten sind, wird es einmal in der Apostelrunde heißen. Maria ist es jedenfalls nicht, sie hat die Botschaft des Rabbi, wie Jesus oftmals angesprochen wird, verstanden: das Königreich auf Erden könne nur kommen, wenn alle Menschen selbst an die Veränderung glauben. Mit diesen Worten belehrt Maria gegen Ende dieser Geschichte auch die Apostel selbst, die mutlos in einer Ecke hocken, nachdem Jesus tot ist, enttäuscht darüber, dass nun nicht der Jüngste Tag und das Paradies auf Erden ausgebrochen ist.

Impressionistischer Jesus

Es ist eine schwierige Aufgabe, der sich der Regisseur von „Maria Magdalena“, Garth Davis, verschrieben hat. Die Geschichte Jesus aus Sicht einer Frau darzustellen heißt zugleich, eine Frauenrolle von damals mit dem Blick von heute in Einklang zu bringen. Das Ergebnis mag in dieser Hinsicht wohl nur die Kirche überzeugen. Maria Magdalena wird – schon wie Maria, die Mutter Gottes – pikanterweise von jeder Sünde befreit, also auch von der der Prostitution, und erweist sich so als recht belanglose Weggefährtin des erfolgreichen Religionsstifters. Rooney Maria, als hell schimmernde Engelsgestalt unter den teils rüden Frühchristen ins Bild gesetzt, hängt mit ihren Blicken unentwegt an ihrem schauspielerischen Gegenüber, Joaquin Phoenix, ohne jenen Nachdruck zu vermitteln, den ihre Figur eigentlich einfordert. Sie verlässt ihre Familie, tauft Frauen im Jordan und begegnet als erster Mensch dem wiederauferstandenen Jesus, doch zu behaupten, dass Rooneys körperliche Präsenz ihr Publikum affizieren würde, wäre verwegen. Der vorgeblich feministische Ansatz des Films wird durch die bedingungslose Gefolgschaft der Maria wieder nivelliert. Noch seltsamer wirkt die Figur des Jesus in der Gestalt von Joaquin Phoenix. Zumindest in diesem Film ist der Mann aus Nazareth nicht etwa durch seine charismatischen Reden zum Heiland geworden, diese wirken recht konturlos. Phoenix selbst setzt indes mehr auf eine Aura des Leidenden, eines verwahrlosten, bis zur Ohnmächtigkeit Wunder wirkenden Bartträgers, dem nichts anderes übrig bleibt, als seinen ihm wohlbekannten Weg bis zum bitteren Ende zu gehen. Der Bibelgeschichte hat diese Inszenierung auch oder trotz der neuen weiblichen Perspektive nichts Neues hinzuzufügen. Immerhin hebt sich „Maria Magdalena“ von provozierten Skandalen wie den Jesus-Filmes von Martin Scorsese oder Mel Gibson ab. Nackte Seeufer, Karstlandschaften und entleerte Ebenen, darin unbehauste Figuren, die von keinem lanzentragenden Römer mit Goldhelm jemals belästigt werden, sowie ein impressionistischer, geradezu verblasener Blick auf ein sachte dramatisiertes Geschehen schaffen doch eine eigene Atmosphäre, die die damalige Zeit nicht durch Requisiten, sondern durch Stimmungen beschwören möchte. Nur einmal fällt Jesus aus dem Rahmen, als er in Jerusalem gegen die Geschäftemacherei mit dem Schuldnachlass aufbegehrt. In Rage reißt er einige Absperrungen nieder, hinter denen sich die Opfertiere befinden. Doch daran nimmt sich die Heilige Maria kein (schlechtes) Beispiel.