Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Gunnar Landsgesell · 30. Sep 2021 · Film

Keine Zeit zu sterben

Fünf Jahre nahm sich das Produktionsteam nach "Spectre" Zeit für die 25. Ausgabe des milliardenschweren James-Bond-Franchise. Die politischen Maßnahmen gegen die Covid-Pandemie verzögerten den Start dann noch beträchtlich. "Keine Zeit zu sterben" setzt "Spectre" fort und ist der erklärt letzte Bond mit Daniel Craig, dementsprechend gruppiert sich das Drehbuch wohl auch etwas stärker um dessen Figur - und Liebschaft Madeleine (Léa Seydoux). Aufzuklären gilt es, wer hinter den Plänen der Terrorgruppe Spectre steht, Christoph Waltz erhält dafür noch einmal einen pointierten Kurzauftritt. Die epische Breite von 160 Minuten bietet neben der zu erwartenden Aktion mehr Melancholie als Ironie.

Eine Home Invasion mit einem unheimlichen Maskenmann zur Eröffnung ist wohl als Statement zu verstehen, dass auch bei 007 die Zeit nicht stehen bleiben darf. Die Art, wie die Szenen ins Bild gesetzt sind, erinnert an ein Dutzend Horrorfilme, nur so graphic geht es beim altbewährten Agenten James Bond natürlich nicht zu. Auch für die 25. Ausgabe von "James Bond" hat man sich an den populären aktuellen Erzählformaten orientiert. Bedeutete das Warten der globalen Fangemeinde früher auch das Warten auf die neuesten Tricks und technischen Gimmicks, die sich der Obertechniker Q wieder ausgedacht hat, sind es Kinoprojekte wie "Mission Impossible" und andere aufmunitionierte Produktionen, die die Standards für große Action seit Jahren weitertreiben. Der Konkurrenzdruck ist groß, man muss eher Schritt halten, neue Akzente zu setzen ist nicht mehr so leicht. (Übrigens: Titelsong von Billie Eilish!) Selbstverständlich enttäuscht Bond nicht, wenn und vor allem wie er einem Mordkomplott am Grab seiner Geliebten Vesper Lynd entgeht. Körperakrobatik und Bungee-Jumping-Technik auf einer steinernen Brücke in der Kulturhauptstadt Matera -  der Mann hat immer noch alle Sinne fast übermenschlich geschärft.

Melancholie statt Ironie

Das IMAX-Soundsystem gibt dem Treiben einen Boost, der Score von Hans Zimmer kleistert verlässlich den Klangteppich dafür. Das Stichwort aktuelle Erzählformate bedeutet aber auch serielles Erzählen, und es ist wohl kein Zufall, dass das milliardenschwere Franchise mit Daniel Craig als James Bond auf Kontinuitäten in der Handlung setzt. "No Time to Die" ist der fünfte und letzte Teil, in dem Craig die Figur spielt, und knüpft an den Vorgängerfilm "Spectre" an. In diesem lernte der (fast) ewige Junggeselle Madeleine Swann (Léa Seydoux) kennen, deren problematische Biographie freilich nicht die besten Voraussetzungen für ein sorgenfreies Beziehungsleben bietet. "Vertrauen" sei wohl eher keine Kategorie, heißt es einmal zwischen beiden. In "Keine Zeit zu sterben" wird Bond aus der Rente auf Jamaica zurückgeholt, weil die Terrorgruppe Spectre mit teuflischen Plänen und einem biochemischen Kampfstoff für neue Gefahren sorgt. Die Frage, ob dahinter deren bereits in "Spectre" inhaftierter Chef, Blofeld (Christoph Waltz), weiter das Geschehen bestimmt, oder ein anderer Player, gilt es nun aufzuklären. Waltz erhält dafür noch einmal einen pointierten Auftritt, wenn er in Hannbial-Lecture-Manier in einem Stahlkäfig im Hochsicherheitstrakt vorgefahren kommt. Mit dem erklärt letzten - 160 Minuten langen - Auftritt von Daniel Craig als James Bond muss das Drehbuch gleichsam zwei Erwartungen einlösen: Einerseits gilt es, die corporate identity des Franchise zu wahren und die bewährte Mischung aus Aktion und spezifischer Bond-Manier zu finden. Dafür wird geschossen, gesprengt, gejagt und zwischendurch auch an der Bar gestanden. Dafür wird auch wieder aus den versenkbaren Scheinwerfern des silbernen Aston Martins mit Mini-Maschinengewehren auf scheinbar übermächtige Gegner gezielt, wird die Reisnägel-Maschine angeworfen und mit einer eingebauten, putzig wirkenden Nebelmaschine der Charme der 007-Methoden beschworen. Ironie oder ein verzeihlicher Unernst sehr viel früherer Bond-Filme sind in "Keine Zeit zu sterben" aber fast kein Thema. Die Weltlage erlaubt das nicht. Andererseits ist Craigs Abgang fast als eigenes Thema, als eine Art Abgesang, gesetzt. Auf Jamaica taucht mit der britisch-jamaikanischen Schauspielerin Lashana Lynch eine schwarze Agentin auf, (ein Black-Life-Matter-Rekurs) die sich als Nummer 007 als zwischenzeitliche Nachfolgerin entpuppt. Allerdings nur, um noch einmal für Craig einen Schritt zurückzutreten. So macht sich in "Keine Zeit zu sterben" fast eher eine gewisse Melancholie anstatt Ironie breit, die diegetisch nicht nur mit den Bedrohungsszenarien der Welt, Bonds prekärer Liebschaft und dem Alter an sich zu tun hat, sondern vor allem einer auf Craig zugeschnittenen Dramaturgie geschuldet ist. Regisseur Cary Joji Fukunaga, ein interessanter Mann, der mit Filmen wie "Sin nombre", "Jane Eyre" und "Beasts of a Nation" durchaus eigene Handschrift bewies, löst ein, was von ihm erwartet wird. Er inszeniert das Mega-Event trocken und mit der nötigen Abgeklärtheit, ohne zu glauben, seine Handschrift dabei ernsthaft einbringen zu können.