Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Walter Gasperi · 30. Sep 2021 · Film

Aktuell in den Filmclubs (1.10. - 7.10. 2021)

An mehreren Spielstätten läuft diese und in den kommenden Wochen Mohammad Rasoulofs bei der Berlinale 2020 mit dem Goldenen Bären ausgezeichneter Episodenfilm "There Is No Evil – Doch das Böse gibt es nicht", in dem bohrend moralische Fragen verhandelt werden. Im Feldkircher Kino Rio wird im Rahmen des "Seniorenkinos" Mike Leighs meisterhafter Künstlerfilm "Mr. Turner – Meister des Lichts" gezeigt.

Doch das Böse gibt es nicht – There Is No Evil: Da die iranische Zensur bei Kurzfilmen nicht so genau hinschaut, hat Mohammad Rasoulof für sein 2020 bei der Berlinale mit dem Goldenen Bären ausgezeichnetes Drama "Doch das Böse gibt es nicht" vier eigenständige Kurzfilme in unterschiedlichen Regionen des Irans gedreht und zu einem Spielfilm zusammengefügt. Bindeglied der jeweils rund 35 Minuten langen Episoden ist das Thema, denn immer werden die Protagonisten vor eine Situation gestellt, bei der sie entscheiden müssen, die Gesetze zu befolgen oder sich aus Humanität darüber hinwegzusetzen.
Sukzessive wird auch klar, wie brillant die einzelnen Episoden verzahnt sind, wenn sie von der Stadt aufs Land führen und das Bild vom Leben im Iran sich langsam weitet. Ruhig und in langen Einstellungen, in denen sich sukzessive Spannung aufbaut, erzählt Rasoulof mit nie nachlassender Intensität. Komplex ist sein Film in der Gesamtkonstruktion angelegt, verhandelt aber in den kleinen Geschichten, die immer mit einer überraschenden Wendung enden, meisterhaft und bohrend zentrale moralische Fragen, die nicht nur, aber verschärft das Leben in einer Diktatur betreffen.
In der Verbindung von dichter Erzählweise, bei der ein Rädchen meisterhaft ins andere greift, und konsequenter Behandlung dieser moralischen Fragen ist Rasoulof ein großer und aufregender Film gelungen, der mit seinem Ende nicht abgeschlossen ist, sondern die aufgeworfenen Fragen ans Publikum weiterleitet und in ihm weiterarbeitet.
TaSKino Feldkirch im Kino Rio: Fr 1.10., 21.30 Uhr
Spielboden Dornbirn: Di 5.10., 19.30 Uhr
LeinwandLounge in der Remise Bludenz: Mi 27.10., 19 Uhr

Mr. Turner – Meister des Lichts : Mike Leigh beschränkt sich in seinem Spielfilm über einen der führenden Vertreter der Romantik, der auch als Wegbereiter des Impressionismus gilt, ganz auf die 25 letzten Lebensjahre Turners (1775 – 1851). Auf Jahreszahlen, biographische Inserts oder Erläuterungen im Voice-over verzichtet Leigh und wirft den Zuschauer mitten ins Geschehen. Wenn die Kamera von Dick Pope in einer Totalen eine Windmühle in Holland und zwei Frauen, die sich langsam nähern, erfasst, wirkt diese erste Einstellung im warmen gelben Abendlicht und in den Gelbtönen selbst wie ein Gemälde Turners.
Immer wieder feiern Leigh und Pope in grandiosen Einstellungen das Genie des von Timothy Spall großartig gespielten Künstlers. Am Malen sieht man Turner aber selten, vielmehr interessiert sich Leigh für die bestechend detailgetreue Schilderung des Alltags und den technologischen Umbruch in der Mitte des 19. Jahrhunderts.
Turner wird in seinen Bildern auch zum Chronisten dieses Umbruchs und bereitet selbst mit seinen im Alter zunehmend abstrakteren Bildern, mit denen er sich endgültig von seinem Vorbild Claude Lorrain löste und es überwand, den Übergang von der Romantik zum Impressionismus und damit zur Moderne vor.
Immer wieder blickt Leigh dabei auch satirisch auf den zeitgenössischen Kunstbetrieb, stellt begeisterten Anhängern Turners Gegner gegenüber, die vor allem seine späten Werke scharf kritisieren, lässt Turner sich dabei aber auch hochnäsig über die Werke von Kollegen lustig machen und sie verspotten. - So sehr Leigh aber Turners Genie feiert, so wenig verfällt dieses Biopic ins Hagiographische, denn seine Charakterschwächen werden nicht ausgespart.
"Seniorenkino" im Kino Rio, Feldkirch: Mo 4.10., 15 Uhr (Deutsche Fassung)


Weitere Filmkritiken, Streamingtipps, DVD-Besprechungen und Regisseur-Porträts finden Sie auf meiner Website https://www.film-netz.com.