Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Walter Gasperi · 05. Dez 2010 · Film

Ich sehe den Mann deiner Träume

75 Jahre alt wurde Woody Allen am 1. Dezember, 41 Filme hat er in den letzten 40 Jahren gedreht – und die meisten davon kreisen um ein Thema: Das ewige und vergebliche Streben nach Glück. Locker und sehr witzig, aber auch ganz schön böse erzählt der New Yorker davon auch in seinem neuesten Film.

Seit Jahrzehnten beginnen die Filme Woody Allens mit dem gleichen Vorspann: Weiße Schrift auf schlichtem schwarzem Grund, unterlegt von beschwingter Jazz-Musik. Eine Revolution stellt es da schon dar, wenn der Jazz wie in „Matchpoint“ durch Opernarien ersetzt wird. Fix zu diesem Vorspann gehörte auch die Nennung von Jack Rollins und Charles Joffe als Produzenten. Erstmals fehlt nun aber Joffe – er ist 2008 im Alter von 79 Jahren gestorben.

Lockerer Reigen von Beziehungsgeschichten

Nicht schlecht passt der deutsche Titel zu Allens Komödie, hetzen doch alle Figuren dem Liebesglück nach, doppeldeutiger ist freilich der Originaltitel „You Will Meet a Tall Dark Stranger“. Im Gegensatz zum romantischen deutschen Titel, wird da auch auf eine ganz andere Begegnung angespielt, wird doch am Ende  – wie Roy im Film auch explizit erklärt - sowieso auf uns alle der dunkle schwarze Mann warten. Die ganze Nichtigkeit des menschlichen Strebens ist so in einem Satz gebündelt und auch im Zitat aus Shakespeares „Macbeth“, mit dem Allens vierter in England spielender Film eingeleitet und beendet wird, kommt diese Weltsicht zum Ausdruck: „Das Leben ist voll Lärm und Unruhe und letztlich doch bedeutungslos.“

Diese Raserei kennzeichnet auch „Ich sehe den Mann deiner Träume“, der locker von einer Beziehungsgeschichte zur nächsten wechselt, nicht nach vorwärts, sondern vielmehr in die Breite drängt. Nur ein Erzähler kann so eine Fülle an Geschichten zusammenhalten, kann Übergänge schaffen, wo sonst unweigerlich Brüche entstehen würden. Allwissend ist er hier und kann so auch beschönigende Erzählungen der Figuren korrigieren oder erläuternd weiter in die Vergangenheit zurückgreifen. Als Bindeglied fungiert aber auch die locker-beschwingte Jazz-Musik, schafft ein Kontinuum und verhindert, dass dieser Reigen in Einzelteile zerfällt.

Nur kurzes Liebesglück

Im Grunde ist es eine Familiengeschichte, die Allen erzählt, auf allen Ebenen geht es dabei freilich um Beziehungsprobleme. Weil Helena (Gemma Jones) nach 40 Jahren Ehe von ihrem Mann Alfie (Anthony Hopkins) verlassen wurde, sucht sie nach Selbstmordversuch und erfolgloser Psychotherapie ihr Glück bei einer Wahrsagerin. Von Helena ausgehend zieht „Ich sehe den Mann deiner Träume“ seine Kreise, erzählt von ihrer Tochter Sally (Naomi Watts), die mit dem erfolglosen Schriftsteller Roy (Josh Brolin) verheiratet ist, von ihrem Ex-Mann Alfie, der inzwischen ein blutjunges Callgirl (Lucy Punch) geheiratet hat.
Doch glücklich sind alle mit ihrer Situation höchstens kurzfristig. Denn Alfie, der mit Sport und Viagra vergessen machen will, dass die Jugend vorüber ist, muss bald erkennen, dass er von Charmaine nur ausgenommen wird. Bald vergnügt sich die ungebildete Blondine viel lieber mit dem Angestellten eines Fitness-Centers und Roy verguckt sich in die junge Nachbarin (Freida Pinto), die dafür die Hochzeit mit ihrem Verlobten platzen lässt. Sein scheinbar ungetrübtes Glück bekommt aber rasch auch Sprünge, als er befürchten muss, dass sein Betrug, mit dem er den beruflichen Erfolg zurückholen wollte, auffliegt. Und Sally wiederum verliebt sich in ihren unglücklich verheirateten Chef, einen Galeristen (Antonio Banderas), glaubt sich von ihm ebenfalls geliebt, muss aber eine bittere Abfuhr einstecken, als sie ihm ihre Liebe gesteht. Einzig für Helena scheint sich da ein Türchen zu öffnen, die zwar keinen großen dunklen Fremden, aber immerhin einen kleinen korpulenten und glatzköpfigen Mann trifft. Der tut sich allerdings wieder schwer von seiner verstorbenen Frau los zu kommen.

Pessimistische Weltsicht, gelassener Blick

Sehr locker und temporeich ist das inszeniert, mit schnellen Dialogen und viel Witz. Verstärkt wird dieser leichte Grundton durch die dominierenden hellen Brauntöne und das nie verregnete, sondern sommerlich-warme London als Schauplatz. Man unterhält sich bestens, aber recht schnell verpufft auch die Wirkung dieser Komödie, da man wie der Erzähler aus kühler Beobachterdistanz auf die Figuren wie auf Versuchskaninchen blickt. Das Bohrende und der Biss, ganz allgemein die Emotionen, kommen dabei zu kurz, da auch die Figuren zu sehr als Stereotype angelegt sind. Keine Chance lässt Allen mit raschen Szenenwechseln seinem Starensemble plastischere Charaktere zu entwickeln.
Böse ist zwar, was Allen über die Menschen denkt, milde aber wie er von ihnen erzählt. Seine Weltsicht ist so pessimistisch wie eh und je, doch scheint er sich inzwischen mit dieser Welt und den Menschen abgefunden zu haben: Vernichtend, aber auch gelassen ist deshalb sein Blick auf das menschliche Streben nach Liebe und Glück, über dessen Erfolglosigkeit man sich allzu gerne durch die Verheißungen einer Wahrsagerin oder mit Alkohol hinwegtäuschen lässt.