Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Walter Gasperi · 30. Jän 2011 · Film

Hereafter - Das Leben danach

In drei Geschichten erzählt Clint Eastwood parallel von drei unterschiedlichen Erfahrungen mit dem Tod. Im Zentrum steht dabei aber weniger die Frage nach einem Leben nach dem Tod als vielmehr die Erkundung, wie Todeserfahrungen das Leben im Diesseits beeinflussen. Handwerklich souverän inszeniert und zurückhaltend gespielt, krankt „Hereafter“ an Peter Morgans überfrachtetem Drehbuch.

Vom eiskalten Killer zur Auseinandersetzung mit Alter und Tod

Nie ist es weit zur Ewigkeit, mit 80 wie Clint Eastwood ist man in der Regel freilich näher dran als mit 20. Ins Jenseits befördert hat der Amerikaner seit den 60er Jahren zunächst im Italo-Western für eine Handvoll Dollar und später als knallharter Cop Dirty Harry schon viele. Da zuckte er nicht lange mit der Wimper und machte sich wohl auch nach vollbrachter Tat keine Gedanken darüber, wohin er denn nun sein Opfer befördert habe.
Mit zunehmendem Alter hat sich aber auch Eastwood gewandelt, hat sich 2000 in „Space Cowboys“ zwar noch ironisch mit dem Altern beschäftigt, dann im denkwürdigen „Million Dollar Baby“ (2004) den von ihm selbst gespielten Boxtrainer in ein schwarzes Loch entlassen, und in „Gran Torino“ (2008) vom bewussten und selbst gewählten Gang in den Tod erzählt.
Immer waren das aber sehr handfeste Geschichte, in denen der Tod sich dann irgendwann einschlich. In „Hereafter“, zu dem der Brite Peter Morgan das Drehbuch schrieb, ist die Frage nach Tod und Jenseits aber von Anfang an stets präsent, wird allzu aufdringlich in den Mittelpunkt gerückt, auch wenn Eastwood in erster Linie von den  Auswirkungen der unterschiedlichen Todeserfahrungen auf das Leben im Diesseits erzählt.

Drei Kontakte mit Tod, drei Protagonisten, drei Schauplätze

Da bricht zunächst einmal in Südostasien ein gewaltiger Tsunami los – und auch ohne Datierung ist klar, dass es der Tsunami von Weihnachten 2004 sein muss. Im Gegensatz zu seinen bisherigen Filmen setzt Eastwood hier modernste Computertechnik ein, evoziert eindringlich die Gewalt der Flut, die auch die französische Politjournalistin Marie (Cecile de France) zu verschlingen droht. Sie versinkt in den Wogen, sieht ein weißes Licht und schemenhaft Gestalten, wird dann aber an Land geschwemmt und kehrt ins Leben zurück. Nach der Rückkehr nach Frankreich wird sie mit ihrer Erfahrung nicht fertig werden, wird ihren Job aufgeben und über Nahtoderfahrungen recherchieren, wird dabei in die Schweiz – wenn man dem Autokennzeichen glauben soll nach Appenzell Innerrhoden, zu dem die schneebedeckten Berggipfel allerdings kaum passen – kommen und schließlich ein Buch über ihre Nahtoderfahrungen schreiben.
Parallel zu dieser Geschichte erzählt Eastwood vom in London lebenden Volksschüler Marcus (Frankie McLaren), der über den Unfalltod seines wesentlich aktiveren und reiferen Zwillingsbruder nicht hinwegkommt, sowie vom Amerikaner George (Matt Damon), der als Medium Kontakt zu Toten aufbauen kann, aber diese zwar einträgliche, aber ihn psychisch extrem belastende Tätigkeit aufgegeben hat.

Überfrachteter Themenfilm statt Geschichte mit Fleisch und Blut

Leicht könnte man bei solchen Geschichten ins Esoterische und Spekulative abgleiten, doch dafür ist Eastwood nun wirklich nicht der Mann. Nüchtern und mit der Abgeklärtheit eines Altmeisters erzählt er, bleibt beim Handfesten, überfrachtet aber den Film auch. Ganz im Gegensatz zu seinen letzten Filmen wird hier nicht aus der Story heraus ein Thema entwickelt sondern vielmehr um das Thema herum eine Geschichte konstruiert. Nie kommt man hier der Fernsehjournalistin oder dem jungen Marcus wirklich näher, nur bei George gewinnt man phasenweise eine Vorstellung davon, welcher Fluch die „Gabe“ des Kontakts mit Toten letztlich ist. Im Switchen zwischen den drei Schauplätzen verliert „Hereafter“ aber die mögliche Intensität und die Geschichten sowie die Figuren werden zu Funktionsträgern statt zu packenden Charakteren aus Fleisch und Blut.
Das liegt aber nicht nur an diesem permanenten Wechsel zwischen den Ebenen, die einzig der Tod als tertium compatationis verbindet, sondern auch an der schon fast unerträglichen Ausgewogenheit, nach der „Hereafter“ strebt. Da muss es nicht nur mit Nahtoderfahrung, Tod des Zwillingsbruders sowie Medium mit Kontakt zu Toten drei Beziehungen zum Tod geben, sondern auch mit einer Frau, einem Kind und einem Mann drei unterschiedliche Protagonisten und dazu noch mit Frankreich, Großbritannien und den USA drei Länder.
Da müssen dem hehren Medium George dann auch noch andere Institutionen und Personen gegenübergestellt werden, die mit faulen Tricks mit der Trauer und der Verlusterfahrung anderer Menschen nur Geld machen wollen, kurz gibt’s auch noch per Youtube-Video Statements eines fundamentalistischen Christen sowie eines islamistischen Predigers und im Finale müssen dann auch noch die Protagonisten durch Zufall – oder eben durch das Schicksal – zusammengeführt werden.

Warten auf "J. Edgar"

Alles wird reingepackt, aber alles bleibt ausgesprochen eindeutig und flach – und wenig bleibt zurück. Man schluckt folglich „Hereafter“ und wartet gespannt auf Eastwoods nächsten Film, denn die Auseinandersetzung mit dem schillernden FBI Chef J. Edgar Hoover dürfte dieser Ikone des amerikanischen Kinos sicher wesentlich mehr lieben als der Stoff, auf den er sich mit "Hereafter" eingelassen hat.