Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Walter Gasperi · 30. Jän 2011 · Film

Aktuell in den Filmclubs (31.1. - 6.2. 2011)

In „Vier Minuten“, der diese Woche am Spielboden Dornbirn im Rahmen der Filmreihe „Psychische Krankheiten“ gezeigt wird, liefern sich Monica Bleibtreu und Hannah Herzsprung ein packendes Psychoduell. Härtere Kost gibt es ebenfalls am Spielboden mit „Hundstage“ zu sehen, in dem Ulrich Seidl einen bösen Blick auf das menschliche Leben wirft.

Vier Minuten: Der vielfach preisgekrönte zweite Spielfilm von Chris Kraus ist im Grunde ein kleiner Film, reduziert auf wenige Schauspieler mit einem Gefängnis als beinahe einzigem Schauplatz. Doch aus den engen Vorgaben entwickelt der deutsche Autor und Regisseur mit einer ebenso knappen wie präzisen Bildsprache und zwei grandiosen Schauspielerinnen ein leidenschaftliches und pulsierendes Drama, das den Zuschauer von den ersten Minuten an ins Geschehen zieht: Im Frauengefängnis trifft die 80-jährige Pianistin Traude Krüger, die interessierten und begabten Häftlingen Klavierunterricht gibt, auf die junge Jenny, die früher als musikalisches Wunderkind galt, jetzt aber wegen eines bestialischen Mordes einsitzt. Während die alte Lehrerin Ordnung und preußische Zucht fordert, keinen Widerspruch erlaubt, begehrt Jenny auf, lässt sich nichts sagen und reagiert aggressiv gegen ihre Umwelt ebenso wie gegen sich selbst.
Wie Monica Bleibtreu und Hannah Herzsprung die beiden gegensätzliche Charaktere spielen, die beide unter verdrängter Schuld und Trauma leiden, wie sie sich aneinander reiben, sich bekämpfen und sich dann doch über die Musik näher kommen – das ist das Ereignis dieses  mitreißenden Films. - Und eine Stärke, die auch über Schwachstellen wie die klischeehaft gezeichneten Nebenfiguren hinwegsehen lässt.
Spielboden Dornbirn: Di, 1.2., 20.30 Uhr


Hundstage: Ulrich Seidl verknüpft lose sechs Lebensgeschichten aus einem Wiener Randbezirk und verdichtet sie zu einem schonungslosen Bild menschlicher Aggressionen, Einsamkeit und Beziehungsunfähigkeit: Eine junge Frau wird von ihrem Freund ebenso gedemütigt wie eine Lehrerin von ihrem Liebhaber und dennoch kommen beide nicht von ihren Partnern los. Wortlos lebt ein längst geschiedenes Paar weiterhin im gemeinsamen Einfamilienhaus nebeneinander und die Sehnsucht eines Pensionisten erfüllt sich nur in einem grotesken Striptease seiner Haushälterin. Glück findet hier keine Figur, einsam sind sie letztlich alle – und es gibt keine Hoffnung auf Veränderung
Erfunden sind Seidls Geschichten, doch alles andere scheint vorgefunden. Eine teilweise dokumentarische, dichte Milieustudie ist sein Film, die Personen sind untrennbar mit den trostlos monotonen Wohnsiedlungen, den Schrebergärten, den Ausfallstraßen, den Supermärkten und den Parkplätzen verknüpft. Keine künstlichen Bauten, kein künstliches Licht und keine Filmmusik verwendet der Wiener Regisseur. Die Authentizität, zu der auch der Wiener Dialekt und der teilweise Einsatz von LaienschauspielerInnen wesentlich beitragen, schafft größte Intensität und Unmittelbarkeit.
Der dokumentarische Charakter wird durch den Gestus der Kamera noch verstärkt. Fast nur am Beginn setzt Seidl die agile Handkamera zur Dramatisierung ein und schafft so Nähe und Direktheit. Weitgehend übernimmt die Kamera jedoch die Rolle eines distanzierten, aber genauen Beobachters. Nicht mit ihr, sondern vor ihr entfaltet sich der Film und die SchauspielerInnen gestalten ihre Rollen und Beziehungen und legen mit großer Offenheit die Abgründe der menschlichen Seele frei. Seidls trockener und mitleidloser Blick auf diese Figuren macht "Hundstage" zu einer deprimierenden, wohl nur minimal überzeichneten Studie menschlichen Lebens.
Spielboden Dornbirn: Do, 4.2. und Sa, 19.2. - jeweils 20.30 Uhr