Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast. (Foto: Matthias Horn)
Walter Gasperi · 23. Jän 2011 · Film

Aktuell in den Filmclubs (24.1. - 30.1. 2011)

Mit „Ben X“ steht am Spielboden Dornbirn diese Woche ein furioses Debüt über einen autistischen Jugendlichen auf dem Programm. Der Kurde Hiner Saleem entführt dagegen in der Kammgarn Hard mit „Wodka Lemon“ mit einer an Jim Jarmusch und Aki Kaurismäki erinnernden Lakonie in die Tristesse eines postsowjetischen armenischen Bergdorfs.

Ben X: Das Spielfilmdebüt des Belgiers Nik Balthazar, der mit „Ben X“ sein eigenes Jugendbuch „Nichts war alles, was er sagte“ verfilmte, nimmt vom ersten Moment an gefangen. Indem Balthazar konsequent aus der Perspektive des 17-jährigen Ben erzählt, zudem noch den Zuschauer durch inneren Monolog auf dessen Sichtweise einschwört, ist man sofort mittendrin im Kopf dieses autistischen Teenagers, nimmt Anteil an seiner Welt und seinen Empfindungen. Mit Ben taucht man ins Computerspiel „Archlord“ ein, in dem er Befreiung vom Mobbing, das er in der Schule erfährt, findet und sich als starker Held fühlt.
Mit schnellen Schnitten, ungewöhnlichen Kameraperspektiven und einer enorm dynamischen Erzählweise entwickelt Balthazar dabei nicht nur furiosen Drive und Suggestivkraft, sondern überträgt gleichzeitig die Ästhetik von Computerspielen und Videoclips auf das Medium Film.
Reichlich viel hat der Belgier mit der Reflexion über reale und virtuelle Welt und damit verbundenen Realitätsverlust des Protagonisten, Mobbing und der Unfähigkeit der Erwachsenen mit Bens Krankheit umgehen zu können, in sein Debüt gepackt und differenziert und subtil ist dieser Film sicher nicht , aber sehr jugendgemäß, formal aufregend und ungemein packend.
Spielboden Dornbirn: Mi, 26.1. + Di, 8.2. - jeweils 20.30 Uhr


Wodka Lemon: Der in Paris lebende irakische Kurde Hiner Saleem erzählt mit einer an Jim Jarmusch oder Aki Kaurismäki erinnerenden Lakonie vom Leben und Überleben in einem postsowjetischen armenischen Bergdorf. Desolat sind die sozialen Verhältnisse, doch Menschlichkeit bringt immer wieder Wärme und Momente der Erleichterung in die Tristesse: Halbfertig stehen die Neubauten da und bei den alten Häusern wird das Inventar sukzessive  verkauft Bild. Die Jungen sind entweder auf ihrer Suche nach Jobs längst emigriert oder dem Alkohol verfallen.
Trost findet der alte Hamo nur am Grab seiner Frau oder wie die anderen Dorfbewohner im Getränk, das dem Film den Titel gibt.
Hoffnung, dass sich an den Verhältnissen etwas ändert, gibt es in „Wodka Lemon“ keine, aber die Menschen haben Überlebensstrategien entwickelt und wie mit dem Frühling der Schnee schmilzt und die Natur um das Bergdorf zu neuem Leben erwacht, so entwickelt sich auch zwischen Hamo und der Verkäuferin Nina langsam eine Beziehung.  
Voll Wärme und Mitgefühl blickt Saleem auf diese hinreißend gezeichneten Figuren. Die wortkarge und distanzierte Erzählweise verhindert ein Abgleiten ins Sentimentale. Vieles geschieht hier zwischen den Bildern und statt stringent eine Geschichte zu entwickeln setzt der Kurde auf fragmentarische Momentaufnahmen und einzelne Beobachtungen aus dem Dorf. Aus dieser Einbettung des Individuellen in das soziale und geographische Umfeld und aus seinem authentischen, teilweise fast dokumentarischen Gestus gewinnt „Wodka Lemon“ aber nicht nur seinen Charme und seine tiefe Melancholie, sondern vermittelt auch eine ähnlich widersprüchliche Weltsicht wie sie Roberto Benigni in Jarmuschs „Down by Law“ mit dem Satz „It´s a sad and beautiful world“ formulierte. – Todtraurig und zum Heulen komisch ist das Leben und die Aufhebung dieser Ambivalenz ist nur in einem surrealen märchenhaften Finale möglich..
Kammgarn Hard: Mi, 26.1., 20.30 Uhr