Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Walter Gasperi · 07. Mär 2009 · Film

Gran Torino

Clint Eastwood inszeniert sich selbst als grantigen, rassistischen alten Mann, der langsam den asiatischen Bewohnern in seiner Nachbarschaft näher kommt. – Der Beginn dieses kleinen, aber mit der Souveränität des Altmeisters inszenierten und gespielten Films ist komödiantisch, doch bruchlos gelingt Eastwood der Übergang zu einem melodramatischen Finale.

Am Beginn steht eine Beerdigung und am Ende wird wieder eine stehen. Nichts will der grantige Walt Kowalski mit dem jungen Pfarrer zu tun haben, der auf Wunsch von Walts soeben verstorbener Frau ihn mehrmals besucht und zur Beichte bewegen möchte. Nur lachen kann der im Koreakrieg mit dem Silver Star ausgezeichnete Veteran darüber, dass der frisch gebackene Priester ihm etwas von Leben und Tod erzählen will. Man spürt, dass die Kriegserfahrungen tief in ihm sitzen und ihn quälen. Nur der Krieg wird immer wieder angesprochen, sein restliches Leben dagegen auf seinen Job als Fließbandarbeiter bei Ford reduziert. Von dieser Zeit steht noch ein Gran Torino, Baujahr 1972, bei dem Walt die Lenksäule eigenhändig eingebaut hat, in seiner Garage – sein ganzer Stolz.

Wie für den Pfarrer so hat er auch für seine Söhne und Enkelkinder nur Verachtung übrig. Die Nase zieht er hoch, als seine Enkelin mit kurzem Top und Bauchnabelpiercing bei der Beerdigung von Walts Frau erscheint, und Sohn und Schwiegertochter fliegen aus dem Haus, als sie anlässlich seines Geburtstags vorschlagen er solle doch in ein komfortables Heim übersiedeln.

Auch mit den Nachbarn will der polnischstämmige Alte nichts zu tun haben. Als Fremder in seiner eigenen Umgebung fühlt er sich, die weißen Amerikaner sind längst weggezogen und Asiaten wie die aus dem Bergvolk der in Laos, Thailand und Vietnam lebenden Hmong sind an ihre Stelle gerückt. Das passt Walt nicht, aber vertreiben lässt er sich nicht. Biertrinkend sitzt er jeden Abend auf der Veranda neben der demonstrativ gehissten US-Flagge. Nur Daisy – sein Hund – leistet ihm Gesellschaft.

Klar ist, dass seine Nachbarn, wenn ihnen ihr Leben lieb sein sollte, sich lieber vom perfekt getrimmten Rasen Walts fernhalten sollten. Verbal zeigt er mit Schimpfwörtern wie „Schlitzaugen“, „Bambusratten“ oder „Frühlingsrolle“, was er von ihnen hält, und gestisch mit demonstrativem Ausspucken - bei letzterem bietet ihm die Oma vom Nachbarhaus und gewissermaßen die Gegenfigur zu Walt allerdings mehr als Paroli.

Friedlich wollen diese Hmongs leben, doch eine Jugendgang, zu der auch einer ihrer Verwandten gehört, wollen den jungen Thao für sich gewinnen und zu kriminellen Aktionen anstiften. Walts Gran Torino soll er stehlen, doch das geht freilich schief. Thao kann zwar entkommen, doch seine Mutter verlangt von ihm, dass er Wiedergutmachung leistet, indem er Walt in Haus und Garten hilft.

Dem griesgrämigen Rentner passt das freilich gar nicht, doch Thaos Schwester Sue weicht ihn langsam auf, lädt ihn zum Essen ein und macht ihn auch etwas mit ihrer Kultur vertraut. So kommt man sich näher und der Rassist wirft seine Vorurteile langsam über Bord, doch die Gang lässt nicht locker, die Konflikte spitzen sich zu und aus der Tragikomödie wird ein Drama.

Ganz auf die Community und die Beziehungen untereinander beschränkt ist „Gran Torino“ ganz gewiß ein kleiner Film – aber ein souverän inszenierter. Nichts wirkt hier prätentiös oder verkrampft, sondern locker und leicht, wie aus dem Ärmel geschüttelt. Keine Scheu hat der 78-Jährige sein verwittertes Gesicht der Kamera preis zu geben und man spürt  die Lust, mit der er diesen verbitterten alten Mann spielt, der manchmal wie ein Hund knurrt und sich sonst ausgiebig Schimpfkanonaden hingibt. - Eastwoods Walt ist das Zentrum dieses Films. Er ist in (beinahe) jeder Szene präsent, die Figuren um ihn und die Story sind nur da um ihm einen Aktionsraum zu bieten und um sich selbst in Szene zu setzen.

Die rasche Wandlung dieses pensionierten Fabriksarbeiter vom Rassisten zum Menschenfreund mag allzu glatt und reibungslos verlaufen. Weil sich der Film aber nie wichtiger nimmt als er ist, eher mit Understatement als mit Übertreibung arbeitet und auch Eastwoods Regie sich in klassischer Hollywoodmanier wie bei Hawks, Ford oder Walsh auf das beschränkt, was nötig ist, um ökonomisch und effizient die Geschichte zu erzählen, folgt man dem Geschehen mit großem Genuss.

Denn Eastwood spielt hier auch ironisch mit seinem durch Filme wie „Dirty Harry“ geprägten Image des brutal Selbstjustiz übenden weißen Amerikaners – und revidiert es. Meint man am Anfang noch, dass dieser Walt jeden Moment explodieren und den Abzug an seinem aus dem Koreakrieg stammenden Karabiner abdrücken könnte, so wird „Gran Torino“ mit Fortdauer milder, der Blick auf Walt und seine Nachbarn zärtlicher. Zum Spiel werden da rassistische Vorurteile spätestens in den Dialogen Walts mit seinem italienischstämmigen Friseur und die Schärfe und Bösartigkeit wird diesen Schimpfkanonaden durch permanente Wiederholungen genommen, sodass schließlich nicht mehr zählt, welcher Volksgruppe man in dieser multikulturellen Community angehört, zu der auch Afroamerkaner oder ein Ire zählen, sondern nur noch, was man als Mensch taugt.

Weil dieser Film, der im Diskurs über den Tod und einen großen Abgang in Würde – darin erinnert er an John Waynes letzten Film „The Shootist“ - auch als Abschiedswerk eines großen Regisseurs und Schauspielers angelegt ist und unübersehbar im Bewusstsein des näher rückenden eigenen Todes gedreht wurde, aber so versöhnlich ist, entlässt er den Zuschauer, auch wenn es kein Happyend gibt, nicht deprimiert, sondern leicht und hoffnungsvoll. Und Eastwood selbst setzt mit einem selbst geschriebenen und mit seiner brüchigen Stimme zum Abspann gesungenen Song den Schlusspunkt.


Läuft derzeit im Cineplexx Hohenems


Auswahl weiterer Neustarts:

Watchmen - Die Wächter: Zack Snyders Verfilmung von Alan Moores und Dave Gibbons Graphic Novel. Komplex in Inhalt und Erzählweise, bildgewaltig, aber brutal und zynisch entführt Snyder in ein düsteres New York der 1980er Jahre mit alles andere als strahlenden Superhelden.