Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Walter Gasperi · 08. Mär 2009 · Film

Der Knochenmann

In der dritten Verfilmung eines Wolf Haas-Krimis verschlägt es Josef Hader als Simon Brenner in die steirische Provinz. Zwischen düsterem Krimi, Familienzwist und Liebesgeschichte pendelnd entwickelt sich dank bis in die Nebenrollen exzellenter Besetzung ein schwarzhumoriges Vergnügen, das trotz einer Bankhendlstation als Hauptschauplatz den Appetit weniger anregt als vielmehr verdirbt.

„Jetzt ist schon wieder was passiert – und an allem schuld war die Liebe“, führt der Off-Erzähler in Wolfgang Murnbergers dritte Verfilmung eines Romans von Wolf Haas ein – und wird sich nach dieser Einleitung auch schon ganz aus dem Film verabschieden. Isoliert steht die in einem Bordell in Bratislava spielende Pre-Title-Sequence zunächst da und wird erst später in die Handlung eingeordnet werden können.

Denn Simon Brenner, der inzwischen für die Leasing-Firma seines Freundes Berti ausständige Raten von säumigen Kunden eintreibt, tritt erst in der nächsten Szene in Aktion. Hader spielt diesen Ex-Polizisten und Ex-Privatdetektiv so ausgebrannt und leer wie schon in „Komm, süßer Tod“ und „Silentium“ als direkten Nachfahren von Dashiell Hammetts Sam Spade oder Raymond Chandlers Philip Marlow. Die Stadt, in diesem Fall Wien, braucht Brenner, nichts hasst er mehr als die Provinz, doch gerade dorthin schickt Berti ihn.

In einer oststeirischen Backhendlstation soll Brenner den Wagen des bei der Zahlung säumigen Horvath abholen. Dass das nicht so einfach wird und die Welt aus dem Lot ist, künden bei der Fahrt schon aus der Horizontale gekippte Einstellungen an. Im Wirtshaus – kein Gasthaus ist das, denn dort wäre der Gast König - fehlt dann auch jede Spur von Horvath. Dafür stößt der Inkasso-Beauftragte auf einen erbitterten Vater-Sohn-Konflikt.

Die Vorlage haben Murnberger, Haas und Hader für die Verfilmung gründlich überarbeitet, inspiriert und beeinflusst haben dürften sie dafür umso mehr die Coen-Brüder und ihr Thriller „Fargo“. Die Krimihandlung bleibt lange im Hintergrund und wird eher beiläufig behandelt. Im Mittelpunkt steht vielmehr der böse Blick auf die Figuren und die österreichische Provinz. Idylle und Wohlgefühl lässt da schon die winterliche Stimmung, die durch durchgängig kalte Farben noch unterstrichen wird, nicht aufkommen. Verloren sind die Figuren, die sich alle nach Liebe und Leben sehnen, in dieser Welt und Einstellungen aus großer Höhe, die sie im Raum isolieren, vermitteln eindringlich diese existentielle Einsamkeit und Ausgeliefertheit.

Wie schon in „Silentium“ ist auch hier die Weltsicht fatalistisch, denn alles dreht sich im Kreis. Wurde das in der letzten Haas-Verfilmung am Beispiel Knackwurst und Leberkäs erklärt, so müssen nun die Hühner herhalten. Denn die Knochen der Hendl, die von Menschen abgenagt werden, werden gemahlen und wieder an die Hühner verfüttert, die wiederum von den Menschen gegessen werden. Nichts Gutes verheißt es da dann auch, wenn schon bald so eine Knochenmühle oder auch bei Waldarbeiten eine Holzfräse aufdringlich ins Bild gerückt wird.

Und was die Figuren auch zu erreichen streben, nichts scheint zu gelingen. Je mehr sich der von Sepp Bierbichler mit großer physischer Präsenz gespielte alte Löschenkohl auch bemüht Probleme aus der Welt zu schaffen, desto größer werden sie. Sein Sohn wiederum verrennt sich in der Hoffnung und im Verlangen, endlich den väterlichen Betrieb zu übernehmen, während sich im halbfertigen Einfamilienhaus prägnant der Zustand seiner kaputten Ehe spiegelt.

So wird die Geschichte nicht stringent entwickelt, sondern mäandert zwischen Krimi, Familienkonflikt und zarter Liebesgeschichte. Dass dieses Pendeln den Film nicht zerfallen lässt, liegt in erster Linie an den bis in die Nebenrollen vorzüglich gecasteten Figuren. Sichtlich wohl in ihren Rollen fühlt sich nicht nur Josef Hader als Brenner, sondern auch Stipe Erceg als osteuropäischer Zuhälter, Birgit Minichmayr als Schwiegertochter des Wirtes oder Christoph Luser als ihr Gatte.

Mehr bemitleidenswert als sympathisch sind die Figuren, aber die unaufgeregte Erzählweise, die trockenen und knappen Dialoge mit viel Wiener Schmäh, der Mix aus schwarzem Humor und unappetitlich-brutalen Mordszenen, die einem die Lust auf ein Hendl oder auch ein Gulasch für einige Zeit austreiben können, verleihen diesem bösen, aber atmosphärisch dichten und stimmigen Blick auf die österreichische Provinz großen Unterhaltungswert. Und auch wenn schon bald klar ist, wer hier der Mörder ist, so vermag der Film bis zum Ende doch noch mit einigen Überraschungen aufwarten. Ob es hier freilich nicht besser gewesen wäre, den Zuschauer schon früher über gewisse Sachverhalte in Kenntnis zu setzen, da er durch sein Vorwissen gegenüber den Figuren dann gewisse Szenen und Dialoge ganz anders bewerten und genießen könnte, steht auf einem anderen Blatt.

Sieger kann es hier jedenfalls wie bei Hammett und Chandler letztlich keine geben. Während in der Gaststube beim Maskenball ausgelassen zu „Love Hurts“ getanzt wird, wird im Obergeschoß geliebt und im Keller gemordet. Und am Ende ist der Eine zwar am Ziel seiner Wünsche und hat doch alles verloren, und Brenner muss froh sein, dass er nicht mehr als einen Finger eingebüßt hat. – Und wieder fährt die Kamera in die Höhe und isoliert die Figuren nochmals im Raum, hoffnungslos ausgeliefert einer hässlichen und lebensfeindlichen Welt.

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