Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Walter Gasperi · 03. Mär 2009 · Film

Ein Augenblick Freiheit

Der in Österreich lebende Iraner Arash T. Riahi erzählt in seinem ersten Spielfilm von drei kleinen iranischen Flüchtlingsgruppen, die in Ankara auf die Annahme ihres Asylantrags für einen westeuropäischen Staat warten. – Obwohl schon vielfach preisgekrönt, kann „Ein Augenblick Freiheit“ letztlich nicht überzeugen.

Ohne viel Geplänkel wirft Arash den Zuschauer mitten hinein ins Geschehen. Auf den Flash forward einer Exekution, mit der sich am Ende der Kreis des Films schließen wird, folgt die Einführung von zwei Kleingruppen, die aus dem Iran nach Westeuropa flüchten wollen. Neben einem Ehepaar mit einem Kind sind das unabhängig davon Merdad und sein Freund Ali, die die beiden etwa achtjährigen Cousins Alis zu ihren schon lange geflohenen Eltern nach Wien bringen wollen. Später kommen ein gebildeter, pessimistischer Iraner mittleren Alters und ein optimistischer Kurde dazu, die sich in Ankara ein Hotelzimmer teilen werden. Die Geschichten der drei Gruppen verlaufen aber weitgehend getrennt, sodass Arash zwischen ihnen hin und her schneidet.

Hautnah dran ist die Kamera bei der Flucht mit Bus und Auto und schließlich per Pferd über die verschneite iranisch-türkische Grenze dabei. Ständig müssen die Flüchtlinge hier befürchten von den Schleppen betrogen oder vom iranischen Militär ergriffen zu werden. Wie das Paradies erscheint ihnen folglich zunächst die türkische Hauptstadt Ankara. Doch schon die Unterbringung in miserablen Hotelzimmern zu weit überhöhten Preisen dämpft die Begeisterung. Weit schlimmer aber sind das monatelange zermürbende Warten auf die Genehmigung des Asylantrags und die ständige Angst vor Abschiebung. Der Großteil des Films widmet sich diesem unsicheren Schwebezustand zwischen Hoffen und Bangen, knapp ist dagegen das Finale, in dem sich Glück und Leid in etwa die Waage halten.

Sieben Jahre lang hat Arash an seinem ersten Spielfilm gearbeitet. Erst nach dem Erfolg seines Dokumentarfilms „Exile Family Movie“, in dem der 1972 im Iran geborene und seit 1983 in Österreich lebende Iraner die Geschichte seiner eigenen über die halbe Welt verstreuten Familie schilderte, konnte er die für die Finanzierung von „Ein Augenblick Freiheit“ nötigen 3,5 Millionen Euro auftreiben.

„Nach wahren Begebenheiten“ wird auch im Vorspann von „Ein Augenblick Freiheit“ angekündigt. Aber Arash hat weniger seine persönlichen Erfahrungen als andere reale Flüchtlingsschicksale in seinem ersten Spielfilm verarbeitet. So erschütternd allerdings das Schicksal von Flüchtlingen, deren Zahl Ende 2007 weltweit 11,7 Millionen betrug, auch ist, so wenig wird es in diesem Spielfilm erfahrbar. Nah dran an den Figuren ist die Kamera zwar durchgängig, doch ihre schlimme Situation wird nur behauptet.

Zu kurzatmig reiht Arash tragische und komische Szenen, die immer auf einen Höhepunkt zugespitzt werden, aneinander, als dass hier wirklich ein Gefühl für die Befindlichkeit der Flüchtlinge, die hier weit wichtiger wäre als äußere Handlung, vermittelt werden könnte. Nie lässt sich der Regisseur Zeit, genau hinzublicken und den Schauspielern Raum, um ihre Verzweiflung – oder auch ihre Glücksgefühle – wirklich zum Ausdruck zu bringen, sondern forciert vielmehr die äußere Handlung. Da folgt auf die Jagd nach einem Schwan, den der Kurde und sein iranischer Freund verspeisen wollen, der Verrat der anderen Gruppe an den in Ankara aktiven iranischen Geheimdienst und auf die Bemühungen des Familienvaters um Asyl eine Liebesgeschichte zwischen Ali und einer jungen Türkin.

Zu holzschnittartig und episodenhaft ist das einfach in der Dramaturgie, zu oberflächlich die Figurenzeichnung mit – ihr Schicksal soll hier keinesfalls verharmlost werden - armen Flüchtlingen auf der einen Seite und mal kurz auftauchenden brutalen Folterern des iranischen Geheimdiensts, nationalistischen türkischen Schlägern, denen im Handumdrehen ein hilfsbereiter Busfahrer gegenübergestellt wird, und einem geldgierigen und hinterhältigen Hotelbesitzer.

Zum Weinen und Lachen, wie es Arash beabsichtigte, mag „Ein Augenblick Freiheit“ in seiner für das Hauptabendprogramm des öffentlich-rechtlichen Fernsehens konformen Form wirklich sein, nur leidenschaftlich, roh und wütend, wie er angesichts der Tragik der Thematik sein müsste, ist er leider nie. Ganz andere Kraft hatte und andere Erschütterung auslösen konnte da schon vor sieben Jahren Michael Winterbottoms semidokumentarisches Flüchtlingsdrama „In this World“.

 

Läuft derzeit in der Kinothek Lustenau und im Cineplexx Lauterach und vom Freitag, 6.3. bis Donnerstag, 12.3. im TaSKino Feldkirch sowie am 8. und 10.4. im Filmforum Bregenz