Neu in den Kinos: "Die Unschuld" (Foto: Wild Bunch Germany/Plaion Pictures)
Walter Gasperi · 20. Mai 2011 · Film

Pirates of the Caribbean - Fremde Gezeiten

2003 haben die Walt Disney Productions mit „Fluch der Karibik“ einen Welterfolg gelandet und einem schon totgeglaubten Genre neues Leben eingehaucht. Fortsetzungen mussten fast zwangsläufig folgen. Außer Rob Marshall als Regisseur und Penélope Cruz in der weiblichen Hauptrolle bietet die vierte Auflage nicht viel Neues. Marshall vertraut ganz auf spektakuläre Settings, eine ziemliche beliebige Abfolge von mehr oder weniger originellen Actionszenen und einen lustvoll aufspielenden Johnny Depp.

Ausgangspunkt für „Fluch der Karibik“ war die Themenfahrt „Pirates of the Caribbean“, die 1968 in Disneyland von Los Angeles eröffnet wurde. Wie so eine Themenfahrt, oder auch ein Computerspiel mit seinen unterschiedlichen Levels sieht denn auch die Filmreihe – im speziellen nun „Pirates of the Caribbean - Fremde Gezeiten“ aus: Roter Faden der Handlung ist die Suche nach der Quelle der Jugend. Der Endpunkt ist damit festgelegt, dazwischen werden einzelne Abenteuer eingebaut, denn um ans Ziel zu kommen, müssen wie gewohnt einzelne Aufgaben gelöst werden, im Konkreten von einem versunkenen Schiff zwei Kelche geholt und die Träne einer Meerjungfrau organisiert werden.

Wettlauf zur Quelle der ewigen Jugend

Um der Sache noch Würze zu geben, müssen freilich auch mehrere Gruppen hinter dem Mittel, das ewige Jugend verspricht, her sein. Captain Jack Sparrow (Johnny Depp) hat da eigentlich gar nicht soviel Interesse daran, vielmehr sind es auf der einen Seite die Spanier, die sich auf „Schatzsuche“ machen und auf der anderen die Engländer, angeführt vom Piraten Barbossa (Geoffrey Rush), und als dritter mischt auch der Pirat Blackbeard (Ian McShane) mit seinem Schiff mit. Auf letzterem, auf dem auch Blackbeards Tochter und Sparrows Ex-Geliebte Angelica (Penélope Cruz)  segelt, findet sich auch Sparrow wieder, nachdem er in einer Hafenkneipe K.o. ging.

Originelle Einzelszenen statt packendem Story-Telling

Nach flottem und witzigem Beginn in London, in dem Sparrow mit einigen Finten seinen Kumpel Gibbs (Kevin McNally) vor der Hinrichtung retten muss, begibt sich Rob Marshall auf der Haupthandlungslinie auf ausgetretene Bahnen. Originell sind da nur einzelne wie Sparrows Flucht aus einem spanischen Lager, bei der er sich der Palmen und Kokosnüsse als Hilfsmittel bedient und wie die Kämpfer in Ang Lees "Tiger and Dragon" durch die Baumkronen fliegt. Oder wenn für einmal keine Seeungeheuer angreifen, sondern mit Mondlicht ganze Heerscharen von Meerjungfrauen angelockt werden.
Das ist zwar wie eben in einem Themenpark ganz nett anzuschauen, bietet aber nichts als Augenfutter, denn weder wird wirklich packend eine Geschichte erzählt noch Figuren gezeichnet, die interessieren könnten. Viel zu wenig holt Marshall beispielsweise aus der Liebesgeschichte  zwischen einem Missionar und einer Meerjungfrau heraus, vertraut dafür ganz auf Johnny Depps Captain Sparrow, neben dem keine andere Figur hochkommen kann. Depp agiert zwar mit sichtlicher Spielfreude, neues kann er seiner Figur aber auch kaum hinzufügen. Penélope Cruz hat daneben das Nachsehen, bleibt blass und auf die Rolle des optischen Aufputzes reduziert, denn auch den beiden Stars glaubt man nicht, dass es zwischen ihnen funkt.

Landszenen statt Seeschlachten

Überraschend für einen Piratenfilm ist, dass es kaum Seekämpfe gibt, sondern der Großteil der Handlung an Land spielt. Aufwändig rekonstruiert – oder wohl vielmehr am Computer generiert – wurde das London der frühen Neuzeit, die Kamera gleitet in eindrucksvollen Flugaufnahmen über fantastische grüne Wälder, rückt fotogen türkises Meer vor einer Trauminsel mit weißem Sandstrand oder die im Dschungel verborgene Quelle ins Bild. Und vor dieser attraktiven Kulisse dürfen sich schrullige Typen, süße, aber gefährliche Meerjungfrauen oder stocksteife spanische und britische Soldaten tummeln – doch damit hat es sich dann auch schon, denn sonst werden – wie bei Seemannsgarn üblich – die alten Geschichten wieder aufgewärmt, in neuer Verpackung und etwas variiert nochmals verbraten. – Den Fans wird das kaum weniger gefallen als die drei Teile davor, der Kassenerfolg dürfte angesichts einer großen Werbemaschinerie auch gesichert sein, sodass einer Fortsetzung, nichts im Wege stehen dürfte.