Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Gunnar Landsgesell · 28. Jun 2018 · Film

Euphoria

Zwei Schwestern (Eva Green, Alicia Vikander) begegnen sich im Angesicht des Todes der einen wieder: Eigentlich ein Kammerspiel über emotionale Erpressung, Sexualität und Fremdbestimmung, vor dem man keine Angst zu haben braucht.

Vor dem Tod, heißt es, sind alle Dinge banal und klein. Vielleicht möchte Emilie (Eva Green) deshalb noch einmal ordentlich auf den Putz hauen. Sie lädt ihre Schwester Ines (Alicia Vikander) ein, die seit Jahren in New York lebt und mit der sie kaum Kontakt hat, und entführt sie in ein nobles Restaurant. Kaum haben sie bestellt, entschwindet Emilie mit dem erstbesten Mann, der sie zum Tanz auffordert. Ines schaut bei Hummer und Champagner schweigend zu.

Box der Pandora: ein Spalt geöffnet 

„Euphoria“ fühlt sich irritierend und provokativ an, solange man nicht weiß, worauf die Begegnung dieser zwei sich offenkundig fremden Schwestern hinauslaufen soll. Green und Vikander, ein auch schauspielerisch interessant besetztes Paar, agiert Zurücksetzungen und Argwohn in Blicken und Gesten aus, ohne dramatisch zu werden. Einiges von der unbestimmbar ungemütlichen Stimmung verspielt Regisseurin Lisa Langseth freilich mit dem Wechsel zum eigentlichen Zielort dieses Films.
„Euphoria“ führt recht geheimnisvoll tief in die Wälder Schwedens, wo sich an einer Lichtung eine Villa mit illustren Gästen und apartem Personal wie zur Kur offeriert. Doch weit gefehlt, hier treffen betuchte Menschen aufeinander, die durch Sterbehilfe ihr Leben beenden wollen. Die Idee vom Sterbeplatz, wie sie die Production Designer in „Euphoria“ realisiert haben, hat etwas Barockes, Groteskes. Ein Artefakt, dessen Künstlichkeit sich auch über die Beziehung von Emilie und Ines legt.
Emilie, todkrank, hat ihre nichtsahnende Schwester Ines überrumpelt. An sich eine Gemeinheit, doch gerade in diesem Zwiespalt, wie man sich angesichts dieser Situation zu verhalten hat, findet Langseth ihr dramaturgisches Futter. Emilie möchte Nähe erzwingen, wo Fremdheit ist, und erpresst sie in ihrem wohl kalkulierten Plan emotional.
Ein starkes Stück, eigentlich ein Kammerspiel, dem aber in dieser Inszenierung die Tiefen und Schärfen fehlen. Wo ein Sturm blasen müsste, wechseln Streit und Versöhnung als laues Lüfterl. Familienkram wird nach langem Verschluss ausgebreitet, es geht um die Mutter, um Sex und Suizid, aber man hat das Gefühl, dass hier viel zu wenig davon aufgerechnet wird. Die Emotion des Drehbuchs wirkt fast kleinmütig, so, als hätte sich die Autorin selbst gefürchtet, die Box der Pandora ganz zu öffnen. Zwar werden die Konturen der kühlen, abgrenzungsfähigen Ines und der in Zweifel verstrickten Emilie deutlich, doch sind die beiden Schwestern sich eher fremd, als dass ihre Gegensätzlichkeit wirklich zündet.
Mit Charlotte Rampling als Herrin dieses vertrackten Ortes hat man sich neben Eva Green einen weiteren Weltstar geangelt, der aber ohne spezielle Aufgabe meist verstohlen durch die Anlage wandelt. Seid ihr im Angesicht des Todes noch zu retten?, möchte man den Leuten zurufen, doch alle wirken hier ein bisschen sediert. Dabei spielt der Filmtitel wohl auch auf die gleichnamige synthetische Droge an. So bleiben schlimme Sätze wie jener, „Ich will kein Mensch sein, der so fühlt wie ich“ (da lässt Ingmar Bergman grüßen), einer Nebenfigur vorbehalten, während das Schwesternpaar sich argwöhnisch beschnuppert.